Neukamm der Biologe

Heute habe ich mal wieder etwas im Freigeisterhaus herumgelesen. In dem Thread geht es eigentlich um Neukamms Artikel zu den Vorgängen an der FH Gießen, wo Studenten angeblich pseudowissenschaftliche Indoktrination erfahren (böse, böse…^^). Zu diesem Thema werde ich demnächst hier wohl auch nochmal etwas schreiben, aber darum soll es jetzt nicht gehen. Viel interessanter finde ich folgende Begebenheit:
Martin Neukamm alias (Darwin Upheaval) wird dort vom User ngc4414 folgendes gefragt:

Gestattest Du, dass ich Dich nochmals frage, weil es mich wirklich interessiert? (Im anderen Thread schienst Du diese Frage übersehen zu haben oder Du hast bisher einfach nicht darauf geantwortet.)

Wie bist Du eigentlich als ‚Chemie Ingenieur’ (Fachhochschule) Mitglied in der AG Evolutionsbiologie geworden, wo gemäss Statuten nur ‚fachlich ausgewiesene Biologen’ Mitglieder werden können?

Denn liest man in den Statuten der AG Evolutionsbiologie nach findet man tatsächlich:

Zusammenschluss der in Lehre und Forschung tätigen Evolutionsbiologen im deutschsprachigen Raum

Sämtliche evolutionär ausgerichteten biologischen Fachrichtungen sollten vertreten sein: z.B. Abiogeneseforschung, Biologiedidaktik, Biologiegeschichte, Biophilosophie, Botanik, Entwicklungsbiologie, Genetik, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Paläontologie, Physiologie, Populationsgenetik, Verhaltensbiologie, Zellbiologie, Zoologie und die In-silico-(Computer)-Evolutionsforschung.

und

2. Wer kann Mitglied werden

Fachlich ausgewiesene Biologen, welche die oben beschriebenen Grundpositionen teilen und den aufgelisteten Schwerpunkten zugeordnet werden können.

Um ehrlich zu sein, hatte ich es schon länger im Sinn über diese Sache mal ein, zwei Sätze zu verlieren, weil ich sie so putzig finde. Die AG Evolutionsbiologie unterstellt ihren Kritikern stets, es seien keine Biologen (und erst recht keine Evolutionsbiologen) in deren Reihen. Ihr dreiköpfiger Führungstrupp besteht allerdings aus:

  • 1. Vorsitzenden Ulrich Kutschera, der bis vor kurzer Zeit mehr im Bereich der Pflanzenphyiologie unterwegs war
  • Dessen Stellvertreter dem Biologiehistoriker Thomas Junker
  • Und als Geschäftsführer dem Chemiker Martin Neukamm

Und wie reagiert Neukamm auf die Frage? Gibt er eine sinnvolle Antwort, die alle befriedigt? Nein tut er nicht:

@ NGC 4414:

Mir ist immer noch nicht klar, was für ein Spiel Du hier spielst. Entweder bist Du einer von unseren Kreazzi-Blogger-Freunden oder ein W+W-Mitglied inkognito. Dein Versuch, so zu tun, als seist Du nur zufällig über die genesisnet-Seiten gestolpert und ein „Suchender“, der sich gerne eine Meinung bilden möchte, verfängt hier nicht.

Hat aber auch seinen Vorteil: Somit hat jeder das Recht sich eine eigene Erklärung für die beschriebene Tatsache zu erdenken. Meine ist die: Wichtig für die AG ist nicht, dass man auf dem Gebiet der Evolution Forschung betreibt (weil sonst könnte Prof. Dr. Scherer von der TU München ja beitreiten), sondern, dass man die weltanschaulichen Positionen der dreiköpfigen Führung teilt. Also: Sind sie Atheist? Muss Religion bekämpft werden? Sollte eine ernsthafte Diskussion mit Evolutionskritikern vermieden werden und man sie stattdessen dauernd diffamieren? Wenn sie diese Fragen alle mit einem überzeugten „Ja!“ beantworten können, dann kommen sie zur AG Evolutionsbiologie, wir freuen uns auf sie!

Biston Betularia straft Kreationisten Lügen?

Biston Betularia sagt vielleicht nicht jedem etwas. Die deutsche Bezeichnung „Birkenspanner“ hat dagegen wohl jeder schon einmal gehört, der im Biologieunterricht die Evolutionstheorie behandelt hat. Sie waren laut meinem Biobuch ein „Beispiel für Evolution in Aktion“. Kurz und knapp zur Erinnerung: Dieses putzige Tierchen existiert in zwei Formen, einer dunklen (carbonaria) und einer hellen (typica). Sie sollen sich laut Schulbucherklärung an Baumstämmen heller Bäume aufhalten. Die helle Form ist natürlich auf einer hellen Rinde schlechter zu erkennen als eine dunkle, weshalb Fressfeinde die schwarze schneller sehen und verspeisen. Daher ist diese Form seltener. Während der Industrialisierung verdunkelten sich die Baumstämme durch die Luftverschmutzung, was für die helle Form suboptimal war, da ihre Tarnung wegfiel. Dementsprechend mussten sie in dieser Zeit eher damit rechnen von einem Vogelschnabel aufgepickt zu werden, als ihre dunklen Brüder. Nachdem man gemerkt hatte, dass sie Luftverschmutzung vielleicht nicht so gut ist und sie reduziert hat wurden die Bäume wieder heller und die typica-Form dadurch wieder häufiger. So weit so gut. Worum geht es denn jetzt eigentlich genau?
In den vergangenen Jahren wurde von etlichen Wissenschaftlern der Vorwurf erhoben, dass der Biologe Kettlewell bei seiner Beschreibung Selektionsszenarios methodisch unsauber gearbeitet habe. So habe er und einige seiner Nachfolger die Birkenspanner so freigelassen, dass sie sich auf die Baumstämme setzten, obwohl sie normalerweise eher in Baumkronen (oder an unbekannten Orten) zu finden seien oder teilweise habe man einfach für seine Fotos tote Examplare an den Baumstamm geheftet. Sprich es wurde unsauberes wissenschaftliches Arbeiten unterstellt. Dementsprechend wurde auch darüber nachgedacht ob es wirklich der Fall ist, dass die Birkenspanner ihr Dasein am Baumstamm fristen oder sich einen anderen Platz suchen. Natürlich wurde auch von Seiten der Evolutionskritiker auf dieses Thema eingangen. Hauptvorwürfe sind vor allem, dass in der Literatur kaum angemerkt wird, dass Kettlewells Arbeitsmethoden unsauber waren.
Nun kam M. Majerus in seiner Studie zu dem Ergebnis, dass 30% der Birkenspanner tatsächlich auf Baustämmen rasten würden, das Szenario Kettlewells also im Prinzip korrekt ist. Dies ist für Martin Neukamm natürlich ein Grund sofort einen Beitrag zu veröffentlichen und darin zu behaupten:

Die von den Evolutionsgegnern losgetretene Kampagne erwies sich als Sturm im Wasserglas; ihre Schlussfolgerungen erwiesen sich als haltlos und ebenso fragwürdig

Dazu sei festgehalten:

  • 1. Nicht nur Evolutionskritiker zweifelten Kettlewells Szenario an. Die Kritik entstammt vor allem aus den Reihen der Evolutionsbiologen.
  • 2. Die Studie von Majerus ist evt. nicht das letzte Wort das gesprochen wird und die Situation kann sich dementsprechend auch wieder ändern.
  • 3. Der Hauptpunkt der Kritiker (vor allem von Seiten der Kreationisten und ID Theoretiker) ist eben nicht vom Tisch, sondern besteht nach wie vor: Kettlewell hat unsauber gearbeitet, doch das weiß kaum einer der das Spannerszenario kennt.

Dementsprechend sind Majerus Ergebnisse in keiner Weise eine Schwächung der evolutionskritischen Position. Was Neukamm hier in Deutschland und The Independent in England publizieren sind Strohmannargumente, da man den Kreationisten Aussagen und Behauptungen andichtet, die sie nie getätigt haben und diese dann widerlegt. Answers-in-Genesis hat sich meiner Meinung nach treffend zu diesem Vorgehen geäußert:

What the Independent article fails to acknowledge is that criticism of the peppered moth experiments did not hinge on whether or not the population observations were correct. It was the experimental methodology and the conclusions that were criticized. If the population distribution evidences are correct, then this is no problem for creationists. After all, we have here an example of moths evolving into … well, moths. (…)
Kettlewell’s techniques were first criticized not by creationists, but by fellow evolutionists. It is alleged in Judith Hooper’s book, Of Moths and Men, that some of the famous photographs were taken by gluing dead moths to trees. This is because the moths do not tend to settle on the bark, but fly up into the canopies. A criticism of this methodology does not negate the population observations, and if Majerus now has proof that birds are eating the relevant amounts of moths, then creationists would have no problem with that.(…)

Und um zu meinem Schulbuch vom Anfang des Artikels zurückzukommen:

The article claims that peppered moths were “the quintessential example of Darwinism in action.” This is not correct. If true, then the peppered moth experiment is an example of natural selection (which creationists accept), not evolution.

Zum Abschluss soll Dr. W.-E. Lönnig zu Wort kommen, dessen Text von Neukamm (mal wieder) in einem Zusammenhang genannt wird, wo er nicht hingehört. Erst erzählt Neukamm, dass Evolutionskritiker anhand des Birkenbannerbeispieles, die komplette Selektionstheorie in Frage stellen würden und verweist dann auf einen Text von Herrn Lönnig. Wie wenig dieser Text allerdings mit den Behauptungen von Neukamm zu tun hat sollen folgende zwei Zitate darauf zeigen.

Selbstverständlich bestreite ich nicht jeden Einfluss der Luftverschmutzung auf die populationsgenetischen Veränderungen bei den Birkenspannern und vielen weiteren ähnlich gelagerten Fällen (…) und – wie der Leser des letzteren Beitrags schnell erkennen kann – bestreite ich auch nicht grundsätzlich den Faktor Selektion

Wenn sich jedenfalls 99,9% aller Birkenspanner tagsüber nicht „in exposed positions on tree trunks“ aufhalten, dann kann dieser bisher als entscheidend betrachtete Selektionsfaktor auch nicht mehr als sicher für die Melanismusfrage beim Birkenspanner angesehen werden und die üblichen Aussagen zu diesen Problemen in den Lehrbuchdarstellungen von Kutschera und vielen anderen sind unbewiesen.

Sollte aber dieser Faktor – im Gegensatz zu allen neueren Befunden – letztlich doch noch stringent nachgewiesen werden, oder vielleicht auch ein ganz anderer Selektionsfaktor oder deren mehrere, so werden selbstverständlich auch diese Ergebnisse akzeptiert.

Fazit: Unabhängig davon, wo sich jetzt die Birkenspanner wirklich aufhalten. Sie sind ein Beispiel für Natürliche Selektion in Aktion, wobei die Selektionsdrücke je nach wirklichem Aufenthaltsort der Birkenspanner nicht eindeutig geklärt sind. Natürliche Selektion wird von Kreationisten anerkannt. Warum auch nicht? Sie ist ja genau wie Mikroevolution beobachtbar. Man kann an diesem Beispiel allerdings erneut schön erkennen, zu welchen Mitteln Kreationismuskritiker greifen um ihre Gegner schlecht dastehen zu lassen.

Großartig Prof. Dr. Scherer!

Auf www.geo.de erschien vor kurzen ein Interview mit Prof. Dr. Kutschera, indem dieser Prof. Dr. Siegfried Scherer massiv verunglimpfte. Dazu greift er unter anderem auf die folgende Falschaussage zurück:

Der Zweitautor, ein Mikrobiologe, war ein damals frisch berufener C-3-Professor an der TU München (Bereich Landwirtschaft), der sich zum Junge-Erde-Kreationismus bekennt

Herr Scherer hat sich auf seiner privaten Homepage schon lange von dieser Unterstellung distanziert, was Kutschera allerdings nicht darin hindert sie weiterhin in die Welt zu posaunen. Zu Kutscheras Verteidigung (Achtung der Satz ist nicht ganz ironiefrei) muss festgestellt werden, dass er sich beim Thema „Ich rede schlecht über Prof. Scherer“ schon deutlich gebessert hat. Denn die folgende Worte fand er über seinen Kollegen Scherer in einem Interview mit dem Laborjournal:

Scherer war an der Uni Konstanz und wurde dann auf eine C3-Professur nach München berufen. Die TU München hat damals einem bekennenden Junge-Erde-Kreationisten eine Propaganda-Plattform eingerichtet. Inzwischen wurde Herr Scherer hausintern auf einen Lehrstuhl befördert. Dies zeigt, welche kreationistischen Netzwerke gesponnen wurden.

Zuerst erkennen wir hier wieder das Motiv Scherer zu unterstellen, dass er an eine junge Erde glauben würde. Doch heftiger sind sicherlich die beiden letzten Zeilen des Zitates. Ohne jeden Beleg wird hier behauptet Scherer verdanke seine Stellung „kreationistischen Netzwerken“. Also hier mit dem Gedanken zu spielen, dass in Kutscheras Worten der pure Neid mitspielt, ist sicherlich nachvollziehbar. Was hier geschieht ist eine eigentlich nicht tragbare Verleumdung von Prof. Dr. Scherer!
Nun bekam Herr Scherer von Geo die Möglichleit Stellung zu beziehen. In diesem Beitrag geht er in erstaunlich ruhiger und teilweise sogar spaßiger Weise auf Kutscheras Unterstellungen ein. Besonders „angetan“ haben es mir die beiden folgenden Passagen:

Manche mögen trotzdem nicht so gerne mit mir diskutieren. Aber wenn Herr Kutschera mich mal nach Kassel einladen würde, an die biologische Fakultät, zum Disput über molekulare Makroevolution? Das wäre doch super spannend, oder? Das Auditorium wäre bestimmt nicht von christlichen Kampftrupps unterwandert.

Hierbei wird Kutscheras vollkommen übertriebene (oder gar vollständig erlogene) Behauptung aus dessen Interview

Außerdem werden, wenn irgendwo eine solche Diskussion ansteht, erst mal die Zeugen Jehovas und die Evangelikalen rekrutiert. Da stehen Sie dann vor 500 Leuten, von denen wahrscheinlich 450 überzeugte Kreationisten sind. Das ist völlig sinnlos.

auf’s Korn genommen und auch Kutscheras „Argument“ wieso er nicht diskutieren würde löst sich auf. Auch seine zweite immer wieder wiederholte Behauptung, dass er nicht an einer derartigen Diskussion mitmachen würde, weil seine Diskussionsgegner ihre Aussagen nur mit Hilfe der Bibel begründen würden, wird von Herrn Scherer nebenbei aufgegriffen:

Und ich würde nur naturwissenschaftlich argumentieren – versprochen! Nix Bibel und so. Ich kann das. Als Inhaber des Lehrstuhls für Mikrobielle Ökologie am Department für Grundlagen der Biowissenschaften der TU München nutze ich nämlich die bestens bewährte naturalistische Arbeitsweise der Naturwissenschaft und dazu ein erkleckliches Arsenal modernster molekularbiologischer Analytik. Und irgendwie bin ich damit in die Autorenzeile von etwa 130 biologisch-experimentellen Originalarbeiten in ziemlich guten Journalen geraten.

Nebenbei wehrt sich Scherer hier auch gegen Aussagen von Kutschera, in denen er ihm direkt oder indirekt den Status eines „echten“ Wissenschaftlers aberkennt. Bleibt abzuwarten mit welchen Mitteln sich Kutschera wieder um eine Diskussion herumreden wird.
Mit dieser Reaktion hat sich Prof. Dr. Scherer meine volle Anerkennug verdient (auch wenn ihm das wohl nicht sooooo wichtig sein wird ^^). Anstatt auf die Polemik von Kutschera mit gleichen Mitteln zu reagieren hat er einen vollkommen anderen Weg gewählt und damit Charakterstärke bewiesen. Auch hat er es nicht nötig wie die AG Evolutionsbiologie ihren Kritikern mit Anzeigen zu drohen, wenn deren Worte zu scharf oder auch beleidigend werden, wie im Fall des Diplom-Geographen Georg Menting.

Kleine grüne Männchen

Letztes Jahr kaufe ich mir bei amazon.de das Buch „Fälscher und Gelehrte“ von Erdogan Ercivan, weil es von der Beschreibung her sehr interessant klang. Leider stelle sich heraus, dass die Thesen des Autors nicht haltbar sind und er seine Quellen größtenteils aus dem esoterischen bzw. dem Lager der Prä-Astronautik bezieht und diese schon mehrfach angegriffen oder meist widerlegt wurden. Von daher fiel die Rezension, die ich über das Buch verfasste, nicht besonders positiv aus. Aber nicht nur Jesus hatte Jünger, sondern auch Erdogan Ercivan. In seinem Fall die Jüngerin Claudia Baer, die ihre Rezension dazu nutzte, meinen Text (und meine Person) zu kritisieren, was sich in Auszügen wie folgt äußert:

Dieses hervorragende Buch hat keinen Zeriß verdient (…) Auf keinen Fall widerspricht sich der Autor gegenüber der Evolutionstheorie – Er stellt dem Leser den aktuellen stand der Forschung vor, um aufzuzeigen warum die Evolutionstheorie nicht stimmen kann, sondern die Schöpfungstheorie eher für die Erschaffung des Menschen spricht. Dazu zieht er nicht nur das mythologische Bollwerk der Ägypter, Sumerer und Bibel heran, sondern überzeugt mit interessanten Querverbindungen die bislang so noch nicht publiziert wurden.
Das nicht jeder Lesen kann, der ein Buch in die Hand nimmt ist ganz offensichtlich: Die sexuellen Beziehungen zwischen den Menschen und den Gottessöhnen woraus das Riesengeschlecht entstanden sein soll, kann jeder in Genesis 6:1-4 nachlesen. (…)
Das die Bibel über die „Elohim“ („Götter“) berichtet und somit um eine Vielzahl haben längst andere Autoren wie z. B. der Orientalist Zecharia Sitchin nachgewiesen. (…) Dass Autoren angeblich schlechte Kritiken sofort löschen lassen ist ebenfalls ein Märchen, wie das nichtlöschen vieler negativer Kritiken beweist.
Tatsächlich ist das vorliegende Buch informativ, nach wie vor aktuell und spannend zugleich. (…) Auch Demokratie hört bei einem bestimmten Punkt auf.

Auf Grund dieses Textes, ergänzte ich meine Rezension um einige Quellenangaben bzw. veränderte sie geringfügig, so dass sie mittlerweile so bei amazon zu lesen ist:

1. Kapitel Die Ursprungssuche
In größere Widersprüche verstrickt sich Ercivan allerdings bei seinen Kommentaren zur Evolution des Menschen. Er bringt als Argumente gegen eine Humanevolution wie viele vor ihm
1. den Piltdownmenschen (eine Fälschung aus einem Menschenschädel mit einem Gorillakiefer), wobei dieser natürlich nicht als Beweis gegen Evolution gewertet werden kann und
2. die alte (falsche) Behauptung, die Rekonstruktionen von Neanderthalern und Homo erectus seien nicht möglich und wären rein spekulativ. Auch hierin liegt keinerlei Beweiskraft gegen Humanevolution.
Dagegen bejaht Ercivan die Evolution vom Einzeller bis zum Schimpansen und entzieht damit seiner Argumenation den letzten Boden unter den Füßen. Wenn derartig komplexe Strukturen wie die Fangapperatur des Wasserschlaches oder das Linsenauge durch Zufall entstehen können, dann ist die Evolution vom affenähnlichen Vorfahren zum Menschen nur noch das Tüpfelchen auf dem „i“. Auch seine sonstigen Ausführungen zur Evolutionstheorie und ihrer Kritik entsprechen in keinster Weise mehr dem aktuellen Stand der Forschung und sind somit wertlos. Ebenfalls scheint Ercivan nicht zu wissen, dass Darwins Theorie auf dem „Überleben des am besten Angepassten“ basiert und nicht auf dem „des Stärkeren“. Es gibt sicher guter Gründe Evolution anzuzweifeln (vgl. Junker&Scherer, Evolution  Ein kritischer Lehrbuch), aber so einfach wie es sich Ercivan macht ist es nicht.

2. Kapitel Die Bibelschriften
In diesem Kapitel reißt Ercivan praktisch jedes von ihm verwendete Bibelzitat völlig aus dem Zusammenhang und gibt auch sonst hauptsächlich falsche und/oder veraltete Informationen.
So behauptet Ercivan, die Bibel sei im Mittelalter deutlich verändert worden und praktisch alle Schriften, welche für die Paläo-Seti sprächen seien dabei entfernt worden (ähnlich Dan Brown, der allerdings für eine Zensur zu Zeiten Konstantins plädiert). Es wird allerdings jeder Bibelwissenschaftler bestätigen, dass die Bibel in ihrer heutigen Form spätestens 150 n. Chr. vollendet war. (vgl. Bücher von Carsten-Peter Thiede und William Craig).
Als weiteres Beispiel sei Ercivans Behauptung genannt, dass Gott die Sintflut sandte, da die Menschtöchter mit den Göttern Sex hatten. Das stünde in der Bibel. Er spielt hierbei auf Gen 6:1-4 an. Die dort erwähnten Söhne Gottes werden von Bibelwissenschaftlern (wohl zurecht!) nicht mit Göttern (denn da gibt es eben laut Bibel nur EINEN) identifiziert, sondern als die gefallenen Engel, die ebenfalls Geschöpfe Gottes sind und keine eigenständigen Götter. Diese Deutung wird vor allem dadurch gestützt, dass Söhne Gottes in verschiedenen Stellen des AT die Bezeichnung für Engel ist (Hiob 1,6 oder Ps. 29,1). Der Abschnitt „Gottessöhne und Menschentöchter (Gen 6,1 – Gen 6,4“ steht Abseits der Sintflutgeschichte (vgl. Lutherbibel rev. 1984) und wird wie geschrieben vollkommen anders gedeutet als Ercivan dies tut (vgl. Bob Deffinbaugh , Th.M. „What Child Is This?“).
Auch die Behauptung Noah hätte von jedem unreinen Tier jeweils 7 mitgenommen ist falsch. Es waren nur 2. Hier erkennt man, wie oberflächlich die Bibel gelesen wurde. Von tiefem Verständnis kann wohl kaum die Rede sein.
Ebenfalls behauptet er, die Bibel würde vor der Existenz mehrerer Götter berichtet [hierauf basiert seine ganze biblische Argumentation, so dass sie hiermit eigentlich schon vollkommen widerlegt ist] ist schlicht und einfach falsch. Es wird mehrfach hervorgehoben, dass Jahwe, der Gott Israels der einzige Gott ist. Schon Genesis 1,1 stellt dies klar heraus „Am Anfang schuf Gott [NICHT wie Ercivan behauptet „DIE Götter“] Himmel und Erde.“ Auch das bekannte Elohim-Argument (Elohim stehe für mehrere unanbhängige Götter) ist nicht stichhaltig (vgl. Greg Herrick Th.M., Ph.D. Trinitarianism or Theology Proper).
Des weiteren setzt Ercivans ständig die apokryphen Schriften auf eine Stufe mit der Bibel, was schlicht und einfach unzulässig ist. Alle diese Apokryphen stehen mehr oder weniger im Widerspruch zu den Kernaussagen der Bibel und können daher keineswegs ergänzend verwendet werden. Auch sind sie durch die Bank weg später zu datieren, als die Bibelschriften.
Diese Liste lässt sich noch einige Zeit fortführen. Allein die ersten beiden Kapiteln liefern genügend Stoff für eine mehrseitge Fehlerkorrektur und auch in den Kapiteln 3/4/5 bessert sich dies kaum. Vor allem Ercivans Zitierweise ist an etlichen Stellen fehlerhaft (z.B. keine Quellenangabe, falsche Zitate) und trägt keineswegs zur Glaubwürdigkeit der Hypothese bei.
Fazit
Das Buch klingt mehr nach einem Märchen, als nach einer Dokumentation. Liest sich zwar Recht flüssig und spannend, doch Tatsachen gibt es kaum wieder.

Meiner Meinung nach ist hiermit jede der Behauptungen von Frau Baer widerlegt oder zumindest nicht mehr ohne Umschweife zu akzeptieren. Doch damit war für Ercivans Jüngerin die Auseinandersetzung noch nicht beendet: Da jedem Nutzer pro Artikel (sinnvoller Weise) nur eine Rezension zusteht legte sie sich einen neuen Account an, um auf meine geänderte Rezension zu reagieren. Im Vergleich zu ihrem ersten Beitrag geht sie mit keiner Silbe auf den Inhalt meiner Rezension ein, sondern greift mich vom ersten Satz aus persönlich an. Daher wieder in Auszügen ihr Text:

Nachdem der Informatiker Michael Burger in der Vergangenheit Rezensionen noch alias „tuxedo“ niederschrieb und ich seiner Kritik mit einem Kommentar begegnet bin, versucht er es erneut mit der Verunglimpfung des vorliegenden Buches, indem er Unsinn verbreitet.
Michel Burger scheint nicht nur Informatiker zu sein, sondern auch ein „Fanatiker“ der christlichen Kirche, sodass ihn Alternativgedanken, wie die von Ercivan, in seiner Weltanschauung stören.(…) An der Kritik sieht man erneut das Michael Burger mit den Inhalten des vorliegenden Buches mehr als überfordert ist und seine Kritik nicht nur an den Haaren herbei gezogen ist, sondern jeglicher Sachlichkeit widerspricht.

Wieso es Frau Baer nötig so hervorzuheben, dass ich Informatiker bin bleibt ihr Geheimnis. Als Informatiker bezeichne ich mich deshalb, weil ich in ca. einem Monat meinen Abschluss im Informatikstudium erhalten werde. Mein Accountname hat sich nur geändert, weil ich mein Nutzerprofil aktualisiert habe und nicht etwa unter einem anderen Namen schreiben will.
In ihrer ersten „Entgegnung“ warf sie mir noch einige konkrete Fehler vor (auch wenn sie nur in wenigen Fällen berechtigt waren). Ich habe für alle meine Aussagen Quellen angegeben, die jedermann überprüfen kann. Das hat mit Fanatismus nichts zu tun, das ist die normale Arbeitsweise eines Akademikers. Anstatt mit Verunglimpfungen um sich zu werfen, sollte Frau Baer daher versuchen die Aussagen der von mir zitierten Quellen sachlich zu widerlegen. Eines muss ich allerdings zugestehen: Ja ich schenke den Aussagen eines Doktors der Theologie bzgl. der Bibel doch mehr Vertrauen, als denen eines Journalisten bis mir das Gegenteil bewiesen wird. Auch ist es interessant, dass die Sachlickeit meines Textes bezweifelt wird, sie selbst aber mit Beleidigungen und unhaltbaren Behauptungen um sich wirft.

Meiner Meinung nach sieht man hierbei eines ganz deutlich: Frau Baer scheint sich, gemessen an ihren Reaktionen, deutlich stärker in ihrem Weltbild angegriffen zu fühlen als ich. Meine E-Mail-Adresse ist in meinem Amazon-Profil angegeben. Hätte sie wirklich Interesse an einer sachlichen Disukussion hätte sie diese Option ziehen können. Ich habe für meinen Teil amazon.de per Mail darum gebeten, die Texte von Frau Baer auf Konformität mit den Rezensionsrichtlinien zu überprüfen, da sie meiner Meinung nach mindestens gegen zwei Paragraphen verstoßen.

Irreduzible Komplexität und Wahrscheinlichkeit

Einleitung
In seinem Beitrag Irreduzible Komplexität und Wahrscheinlichkeit aus „Kreationismus in Deutschland“, welcher in Auszügen auf der Homepage der AG Evolutionsbiologie veröffentlicht wurde, setzt sich Martin Neukamm mit der Wahrscheinlichkeit auseinander, mit der Gene bzw. irreduzible Systemte evolutiv entstehen können und versucht die Argumente von Evolutionskritikern zu entkräften. Im folgenden soll sein Text näher untersucht und die Stichhaltigkeit der Argumente geprüft werden.

Die Entstehung von Genen
Bezüglich der Entstehung von Genen zitiert Neukamm aus „ARTBEGRIFF, EVOLUTION UND SCHÖPFUNG“ (V. 1.1 D) von W.-E. Lönnig (Zitat im folgenden etwas umfangreicher als bei Neukamm, damit die komplette Argumentation von Dr Lönnig erkennbar ist):

Über ein Drittel der Aminosäurenpositionen ist also bei den untersuchten Arten identisch. Da die Cytochrom-c-Moleküle der Wirbeltiere 104 Aminosäurenreste besitzen, sind mindestens 34 Positionen konstant. „Konstant ist weiter die Lage der Hämgruppe, die immer an den Aminosäurenresten 14 und 17 verankert ist“ (Remane/ Storch/ Welsch 1980, p. 67, in Übereinstimmung mit Geissler et al. oben). Da aber auch in den veränderlichen Regionen die Austauschbarkeit meist begrenzt ist, nehmen wir für das erste funktionsfähige Cytochrom-c-Molekül eine längere spezifische Sequenz an. Wie groß ist aber nur einmal die Wahrscheinlichkeit der zufälligen Entstehung eines Polypeptids mit 34 konstanten Positionen?

Die Antwort lauted: 1 : 20^34 = 1 : 171 798 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 und auf der DNA-Ebene (bei Einbeziehung von maximal 20 % neutralen Mutationen- was in Wirklichkeit zu hoch ist) 1 : 481 = 1 : 5 846 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000 000. Mit einem Wort: nach allen vorliegenden Daten zu glauben, dass ein solch spezifisches Molekül durch Zufall entstanden ist, ist eine Glaubensinvestition mit geringer Aussicht auf Kongruenz mit der Realität. Der gezielt-intelligente Ursprung solcher Sequenzen ist wahrscheinlicher.

und merkt dazu an:

Lönnig (1986) versucht die Situation so darzustellen, als sei die zufällige Entstehung (…), astronomisch unwahrscheinlich.

Anschließend kritisiert er die Annahmen, die Lönnig zu diesem Ergebnis führten. Diese Kritik ist größtenteils nachvollziehbar und Lönnigs Rechnung sicherlich angreifbar. Allerdings folgt im Anschluss an die Kritik:

Zu ähnlichen Einschätzungen bezüglich der Wahrscheinlichkeit funktionaler Proteine gelangen Junker und Scherer (2006, S. 126).

und weiter unten:

Diese Beispiele genügen, um zu demonstrieren, dass es nicht möglich ist, die Wahrscheinlichkeit eines evolutionären Ereignisses nach der „Kopf-Adler-Statistik“ eines Münzwurfspiels (Eigen 1983) abzuschätzen. Die Evolutionsgegner multiplizieren und potenzieren in einer Art und Weise, dass darüber die Voraussetzungen vergessen werden, unter denen solche Berechnungen aussagekräftig wären. Weitere Gegenargumente zu diesen Zahlenspielereinen finden sich bei Kutschera (2006, S. 248).

Er wirft also Lönnigs und Junker/Scheres Rechnung in einen Topf und verweist hier zusätzlich auf Ulrich Kutscheras Buch „Evolutionsbiologie“ wo der Autor angeblich weitere Gegenargumente liefern würde. Tut er das aber wirklich? Die Antwort lautet: Nein. In einem Beitrag auf der Homepage von Wort und Wissen setzt sich Reinhard Junker mit Kutscheras Behauptungen bzgl. Wahrscheinlichkeitsrechnung auseinander. Er schreibt dazu:

Er (Kutschera, mb) kritisiert dies (die Wahrscheinlichkeitsrechnung, mb) mit dem Hinweis, dass evolutionstheoretisch ja nicht angenommen werde, dass eine solche Abfolge in einem einzigen Schritt erreicht werden musste. Außerdem seien in der Evolution nicht von vornherein ganz bestimmte Abfolgen (spezifische Sequenzen) als Ziele vorgegeben gewesen, die dann zufälligerweise hätten erreicht werden müssen.

ähnlich argumentiert Neukamm in seinem Beitrag:

muss die Evolution auch kein bestimmtes Ziel „anvisieren“. Es genügt ja schon, wenn das Protein irgendeine Funktion als Elektronenüberträger (oder eine beliebige andere Funktion) besitzt, die den Organismen einen Überlebensvorteil bietet.

Den von Kutschera/Neukamm angemerkten Punkten ist auch zuzustimmen. Evolution visiert weder ein Ziel an noch darf angenommen werden, dass die heutigen komplexen Gene mit voller Funktion in einem Schritt enstanden sind. Die Sache hat nur einen Haken: Junker und Scherer haben in ihrem Lehrbuch nie etwas anderes behauptet, was Reinhard Junker auch ausdrücklich betont:

Dies ist genau die Kritik, die Scherer in seinem Buch auch darlegt, um anschließend einen ganz anderen Weg zu gehen; ebenso wird auch im „kritischen Lehrbuch“ vorgegangen. U. Kutschera hat die vorliegenden Ausführungen vollkommen verdreht wiedergegeben und behauptet das Gegenteil dessen, was dort tatsächlich gesagt wird.

Diese Aussage Junkers lässt sich durch Lesen von Abschnitt 9.4 „Entstehung einer molekularen Maschine durch Evolution“ im kritischen Lehrbuch ab Seite 155 leicht nachvollziehen.
So wie Kutschera in seinem Lehrbuch gibt auch Neukamm in seinem Beitrag die Aussagen von „Evolution – Ein kritisches Lehrbuch“ verdreht wieder und macht es sich somit einfach sie zu anzugreifen. Neukamm tut hier etwas, was er sehr gerne bei anderen moniert: Er baut sich ein Strohmann-Argument auf, dass sich leicht widerlegen lässt. Eine genauso beliebte wie unfaire Vorgehensweise.
In diesem Zusammenhang sei nochmal aus Junkers Widerlegung der Kutscheraargumente zitiert:

Das wiegt umso schwerer, als Herr Kutschera auf diese Verdrehung bereits im Jahr 2001 anlässlich der Herausgabe der 1. Auflage seiner „Evolutionsbiologie“ hingewiesen wurde.

Das heißt auch Neukamm weiß seit sechs Jahren was wirklich in „Evolution – Ein kritisches Lehrbuch“ steht.

Der Bakterienmotor
Den letzten Teil seiner Arbeit widment Neukamm der Diskussion der Entstehung des Baktierenmotors und beginnt diesen mit:

Auch die vielfach angestellten Berechnungen, die veranschaulichen sollen, dass komplexe Strukturen, wie z.B. ein Bakterienmotor (Abb. 5.5), kaum evolutionär entstehen können, gehen an der Sache vorbei. Denn was bedeutet überhaupt die Feststellung, dass ein solches Merkmal irreduzibel komplex sei? Doch nur, dass die schrittweise Entstehung der einzelnen Strukturproteine des Merkmals in Bezug auf die Endfunktion des Systems nicht positiv selektierbar ist.

Hierbei lässt er außer Acht (bzw. verschweigt es seinen Lesern), dass in „Evolution – Ein kritisches Lehrbuch“ ebenfalls erwähnt wird, dass man bei einem irreduzibel komplexen System nicht annimmt, dass alle seine Bestandteile gleichzeitig oder überhaupt von Grund auf neu evolviert sind:

Evolutionsbiologen nehmen an, dass die erforderlichen Motorproteine durch den Umbau von schon vorhandenen ähnlichen Proteinen mit einer vorher anderen Funktion erzeugt worden sind. (S.158)

Es werden auch Beispiele von Proteinen im IRC System Bakterienmotor genannt, die aus anderen System übernommen wurden, also schon vorhanden waren und nicht mehr neu entstehen mussten (S.158, 9.4.2). Die Behauptung „Doch nur, dass die schrittweise Entstehung der einzelnen Strukturproteine des Merkmals in Bezug auf die Endfunktion des Systems nicht positiv selektierbar ist“ wird nirgendwo aufgestellt.

Das bemerkenswerteste an Neukamms Auszug ist für mich allerdings die Schlusspassage, in der er ein hypotetisches Szenario von Matzke zur evolutiven Entstehung eines Bakterienmotors bespricht:

Etliche Annahmen konnten inzwischen durch eine Reihe empirischer Daten untermauert werden (s. z.B. Pallen und Matzke 2006). Obwohl das Modell einige spekulative sowie in Teilen falsche (!!!) Annahmen enthält und sicher noch viele Fragen unbeantwortet lässt, sollte deutlich geworden sein, dass es gegenwärtig keine ernstzunehmenden theoretischen Einwände gegen Makroevolution gibt, sondern nur offene Detailfragen.

Hervorhebungen von mir

Also nochmal langsam: Ich habe ein Modell, das auf spekulativen bzw. noch gravierender auf falschen Annahmen beruht und das trotzdem viele Fragen nicht beantworten kann. Dennoch soll dieses Modell bewirken, dass Zweifel an Makroevolution nicht mehr zulässig sind? Dieser Schlussfolgerung Neukamms kann ich nun wirklich nicht beipflichten.