In der Zeitschrift Stern (13/2007) erschien unter dem Titel „Der Schöpfer ist ein Käfermacher“ ein Interview mit dem Vorstand der AG Evolutionsbiologie Prof. Ulrich Kutschera. Darin machte er einige Äußerungen, die Studiengemeinschaft Wort und Wissen betreffend, die deren Vorsitzender Dr. Henrik Ullrich am 02.04.07 auf www.genesisnet.de kommentierte (1). Am 04.04.07 wurde auf der Homepage der AG Evolutionsbiologie von Martin Neukamm eine Stellungsnahme auf den Kommentar von Ullrich veröffentlicht (2).
Im Folgenden sollen die Aussagen des Interviews und der beiden oben genannten Texte gegenüber gestellt werden.
Der Hauptvorwurf
Hauptkritikpunkt ist der Vorwurf von Prof. Kutschera, dass ein Wort und Wissen Mitarbeiter einem Schulleiter angeboten habe, an die Schule eine Geldspende zu tätigen, unter der Auflage, dass die Schule in Zukunft das Buch „Evolution – Ein kritisches Lehrbuch“ von Junker/Scherer nutze. Kutschera läge ein Brief vor, der dies belege. Dr. Ullrich bestreitet die Existenz eines derartigen Briefes:
Ein Brief mit diesem Inhalt existiert nicht. (1)
Entgegen der Behauptung Kutscheras hat die Studiengemeinschaft „Wort und Wissen“ e.V. niemals Versuche unternommen oder gefördert, das Buch „Evolution – Ein kritisches Lehrbuch“ dadurch in Schulen einzuführen, dass den betreffenden Schulen Geldspenden angeboten werden. (1)
und erklärt ferner:
Richtig ist, dass ein emeritierter Physik-Professor dieses Buch in einer privaten Aktion als Geschenk angeboten hat. Der entsprechende Brief liegt der Studiengemeinschaft inzwischen vor. Darin wird keine Geldspende in Aussicht gestellt und es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Geschenk keinerlei Verpflichtung für die Schule beinhaltet. (1)
Der Hauptvorwurf von Kutschera wird also vollkommen zurück gewiesen. Tatsächlich gesteht Martin Neukamm in seinem Text ein:
Zu den genannten Vorwürfen ist zunächst festzustellen, dass in dem Interview (…) tatsächlich zwei irrtümlich erhobene Behauptungen abgedruckt wurden: Zwar liegt uns ein Brief vor, aus dem hervorgeht, dass ein Mitglied von Wort und Wissen einem Gymnasium ein kostenloses Exemplar des „evolutionskritischen Lehrbuchs“ von Junker und Scherer zur Verfügung stellte. Von Geldspenden ist dort aber nicht die Rede. (…) Wir bedauern diesen Irrtum und haben die Redaktion des „Stern“ bereits um eine Richtigstellung gebeten. (2)
Man darf gespannt sein, ob und wann diese Richtigstellung erscheinen wird.
Polemische Passagen in den Texten von Wort und Wissen
Dr. Ullrich wirft Kutschera bzgl. dessen Aussagen über die Publikationen von Wort und Wissen folgendes vor:
Entgegen der Darstellung von Prof. Kutschera existieren in den von der Studiengemeinschaft Wort und Wissen herausgegebenen Schriften keine Passagen, in denen Andersdenkende „arrogant und polemisch“ als „überheblicher Materialist“ oder gar als „Terrorist“ bezeichnet werden. (1)
Neukamm versucht daraufhin im Aufsatz von Dr. Reinhard Junker „Wissenschaft im Rahmen des Schöpfungsparadigmas“ (3) Passagen nachzuweisen, welche die Behauptungen von Kutschera unterstützen sollen. Über den Aufsatz schreibt er:
In diesem Artikel werden kreationismuskritische Argumente vielfach mit Vokabeln wie „grotesk“, „irreführend“, „abwegig“, „unsinnig“, „grob sinnentstellend“ und „faktisch leer“ belegt. (2)
Die von Neukamm monierten Begriffe, kommen in der 75 seitigen Arbeit jeweils einmal, „irreführend“ zweimal vor. Macht man sich die Mühe die Begriffe im Zusammenhang zu studieren, erweist sich Neukamms Behauptung als nicht haltbar. Zwei Beispiele sollen dies verdeutlichen:
Die Diskussion führt jedenfalls in die Irre, wenn die verwendeten Begriffe nicht einheitlich definiert werden. Und es ist irreführend, wenn Begriffe so verwendet werden, daß man den Gegner besser kritisieren kann. (3) (Hervorhebung von mir)
Hier geht es keinesfalls um ein „kreationismuskritisches Argument“, sondern es wird zu Recht eine Vorgehensweise kritisiert. Ähnlich verhält es sich auch bei folgender Passage:
Für Kritiker, die der biblischen Überlieferung keine Bedeutung beimessen, muß eine solche Vorgehensweise fremd und vielleicht auch unsinnig erscheinen. (3) (Hervorhebung von mir)
Auch hier geht es in keiner Weise um ein Argument von Kreationismuskritikern. Auf die gleiche Weise verhält es sich bei den anderen von Neukamm aufgezählten Begriffen: Liest man sie in ihrem Kontext, so schwebt Neukamms Vorwurf ohne Belege in der Luft.
Die Richtigstellung Neukamms, dass die Beleidigungen „überheblicher Materialist“ und „Terrorist“, nicht von der SG Wort und Wissen gekommen sind, sondern sich allgemein auf Kreationisten bezog, ist zwar zu begrüßen, doch Herr Ullrich stellt zu Beginn seines Textes treffend fest:
Da außer der SG Wort und Wissen e.V. keine andere evolutionskritische Gruppierung in dem von Christoph Koch geführten Gespräch genannt wird, müssen alle Aussagen Kutscheras aus der Perspektive des Lesers eine Bewertung der Studiengemeinschaft darstellen. Dieser Eindruck muss auch deshalb entstehen, weil Kutschera auf das von Wort und Wissen herausgegebene Buch „Evolution – ein kritisches Lehrbuch“ eingeht. (1)
Ullrich konstruiert also nicht wie es Neukamm behauptet einen Vorwurf, indem er zurück weist, dass Wort und Wissen nie derartige Äußerungen gemacht hat, denn beim Lesen des Interviews ist es für einen Unbeteiligten praktisch unmöglich herauszulesen, ob diese Begriffe nun von Wort und Wissen oder von „den Kreationisten“ im Allgemeinen getätigt worden sein sollen. Für „überheblicher Materialist“ fehlt allerdings jeder Quellenbeleg. Auch bei Terrorist lohnt es sich genauer hinzusehen: Kutschera wirft in seinem Interview den Kreationisten vor Andersdenkende als Terroristen zu bezeichnen. Doch Neukamm verweist auf einen Text von Dr. W.-E. Lönnig (4), in dem dieser ein Zitat von Dr. Werner Gieffers widergibt:
„Herr Kutschera suggeriert…, dass es „international akzeptierte Grundsätze der Naturwissenschaft Biologie“ gäbe, die einen Deutungsversuch von Herrn Lönnig verbieten würden. Diese Denkungsweise eines ideologischen Totalitätsanspruches erinnert an die terroristische Wissenschaftsauffassung kommunistischer Regime, ist aber in den westlichen Demokratien weltweit nicht erkennbar.“(4)
Dr. Gieffers fühlt sich auf Grund des Verhaltens einiger Mitglieder der AG Evolutionsbiologie an seine bitteren Erfahrungen aus der ehemaligen DDR zur Freiheit der Wissenschaft und der freien Meinungsäußerung erinnert – speziell im Zusammenhang mit den Verbotsanträgen Kutscheras zu Lönnigs Instituts-Homepage. Zwischen Alle Anderesdenkenden zu Terroristen machen und der Aussage Gieffers (die auch im Zusammenhang und im Hinblick auf dessen persönliche Erfahrungen gelesen werden muss) liegen Welten.
Somit ist die AG Evolutionsbiologie Dr. Ullrichs Forderung noch nicht nachgekommen:
Wir bitten Prof. Kutschera, uns entsprechende Nachweise zu nennen, damit wir uns ggf. von solcher Art der Auseinandersetzung distanzieren können. (1)
Ulrich Kutschera und das Christentum
In Vertretung für den Vorstand der AG Evolutionsbiologie schreibt Neukamm:
Damit kein falscher Eindruck entsteht: Weder der Vorsitzende noch die Mitglieder der AG Evolutionsbiologie verfolgen das Ziel, „Christen der Lächerlichkeit preiszugeben“. Falls die von U. Kutschera bemühte Analogie zwischen biblisch-schöpfungstheoretischer Argumentation und einem christlichen Arzt, der in seiner beruflichen Praxis auf göttliche Inspiration und Wunder vertraut, diesen Eindruck erwecken sollte, bedauern wir dies. (1)
Zumindest in Bezug auf Prof. Kutschera ist diese Aussage nicht glaubhaft. Aus seiner atheistischen Weltsicht hat er als Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der Giordano Bruno Stiftung noch nie einen Hehl gemacht. Wer allerdings sein Buch „Streitpunkt Evolution“ gelesen hat, wird wohl Dr. Werner Gieffers zustimmen, der in einer Rezension über „Streitpunkt Evolution“ folgendes anmerkt:
In diesem Kontext steht auch in einem überaus großen Teil des Buches der Kampf des Autor gegen die Religionen, in erster Linie gegen das Christentum und speziell gegen die katholische Kirche, die er trotz aller Ablehnung als Befürworter für eine Evolution zu vereinnahmen und zu instrumentalisieren versucht. (5)
Besonderes Augenmerk sollte man auf die Seiten 92/93 und seine dortigen Äußerungen über den Schöpfungsbericht der Bibel legen. Ebenfalls interessant sind Kutscheras Ausführungen zum Thema „Ursprung der Religionen“. Bei einigen Passagen des Buches lässt sich meiner Meinung nach nicht ohne weiteres abstreiten, dass „Christen der Lächerlichkeit preisgegeben werden sollen“. Aber nicht nur der Text lässt derartige Schlüsse zu. Auch die neben dem Text dargestellten Bilder stimmen manchmal nachdenklich, was Kutscheras Meinung über Christen angeht. Dr. Gieffers fällt dies an mehreren Stellen seiner Rezension auf. Unter anderem nennt er folgendes Beispiel:
Auch interessiert nicht die Abbildung auf Seite 131, die die Huldigung der Weisen vor Maria mit dem Kind darstellt, zumal Kutschera daran nicht glaubt und gewiss nicht christliche Inhalte vorstellen will. Das Bild ist vollkommen bezugslos! Kutschera versucht nicht nur, den christlichen Glauben expressis verbis abzulehnen. Sehr häufig zieht er es vor, das Christentum ohne sprachliche Festlegung zu diffamieren, indem er solche Bilder zeigt, die durch ihre kitschige Darstellung den dargestellten Inhalt lächerlich machen soll. (5)
Wer also mehr über Kutscheras Beziehung zu Religion erfahren will, dem sei „Streitpunkt Evolution“ ans Herz gelegt. Wie ernst es der AG Evolutionsbiologie mit dem Bedauern bzgl. der Analogie mit dem christlichen Arzt ist, kann nicht beurteilt werden. Da es allerdings keineswegs der erste Vergleich dieser Sorte (die wie es Dr. Ullrich formuliert zumindest „beschämend“ sind) seitens Kutschera über Christen oder Evolutionskritiker ist, wirkt das Bedauern nicht wirklich ehrlich gemeint. Ebenfalls sei an dieser Stelle noch der folgenden Aussage von Herrn Ullrich zugestimmt:
Prof. Kutschera gibt im „Stern“-Interview als Strategie unserer vermeintlichen Angriffe gegen die Wissenschaft die Nutzung akademischer Titel von Evolutionskritikern an. Wir stellen fest, dass Prof. Kutschera seinen Professorentitel ohne Bedenken in den Dienst seiner religionskritischen Aktivitäten als Mitglied des wissenschaftlichen Beirates der atheistisch orientierten Giordano Bruno Stiftung stellt. (1)
Schlussbemerkungen
Nach der Gegenüberstellung bleibt festzuhalten, dass der Hauptvorwurf aus Kutscheras Stern-Interview auf falschen Aussagen beruht und den Sternlesern ein völlig falscher Eindruck über die Vorgehensweise der Studiengemeinschaft Wort und Wissen vermittelt wurde. Diesbezüglich bleibt zu hoffen, dass seitens des Sterns eine Richtigstellung erfolgt. Die anderen Kritikpunkte von Dr. Ullrich weist Neukamm in seiner Erwiderung zurück. Seine Begründungen dazu können allerdings an einigen Stellen nicht überzeugen.
Michael Burger
Quellen
(1)http://www.genesisnet.info/index.php?News=79
(2)http://www.evolutionsbiologen.de/genesis020407.html
(3)http://www.wort-und-wissen.de/index2.php?artikel=artikel/a02/a02.html