Jesus das Plagiat?

Einleitung
Bei vielen Kritikern des Christentums ist unter anderem folgende Argumentationsstruktur zu finden:

Es existieren in der griechischen Mythologie und in anderen antiken Schriften Erzählungen, die Parallelen zu einigen Berichten über Jesus aufweisen. Somit sind die Evangelien nur Plagiate älterer Berichte und deshalb unglaubwürdig.

Im Folgenden sollen einige der oft zitierten Beispiele von den Evangelien ähnlichen Geschichten näher betrachtet und untersucht werden, inwieweit dieses Argument stichhaltig ist. Sie wurden zum einen auf der Website [bibkri] zum anderen in [AvdB] gefunden.

Buddha [AvdB S. 102]
Auf Seite 102 in AvdB wird Buddha als eines der Vorbilder von Jesus aufgeführt. Er soll ebenfalls als Wanderprediger unterwegs gewesen sein, 40 Tage gefastet haben und vom Bösen versucht worden sein.
Zu allererst ist festzustellen, dass die ersten Berichte über Buddhas Leben über 400 Jahre nach seinem Tod aufgezeichnet wurden ([Bud], S. 54). Selbst bei Zugrundelegung des späten Datums um 70 n.Chr für die Entstehung des Markusevangeliums, liegen zwischen Tod von Jesus und der Niederschrift seiner Biographien gerade einmal 40 Jahre. Ein Unterschied um den Faktor 10 und ein indirekter Hinweis auf Glaubwürdigkeitsunterschiede zwischen beiden Berichten. Die Berichte über Buddha wurde in den folgenden Jahrhunderten auch noch erweitert und mytologisiert, wohingegen die Evangelien seit den ersten erhaltenen Abschriften inhaltlich praktisch nicht mehr verändert wurden (vgl. [FdG], Kap3. S. 117 – 171). Über Buddha sind daher auch viele Geschichten im Umlauf, welche in den ersten Niederschriften um das Jahr 100 v.Chr. nicht vorhanden waren. Bei der Betrachtung von Buddhas Leben ist es daher wichtig, stets zu unterscheiden, ob man die Daten über sein Leben aus den ersten Schriften entnimmt, oder ob man sich auf spätere Ergänzungen beruft. In [Bud] findet sich auf S.13 eine Zeittafel, in welcher die Ereignisse eingetragen sind, die bereits im Jahr 100 v.Chr. niedergeschrieben wurden. Hiernach verließ Buddha im Alter von 29 Jahren sein Elternhaus und seine Familie, um sechs Jahre in Askese zu leben. Am Ende dieses Lebensabschnittes wird er erleuchtet und nutzt die restlichen 45 Jahre seine Lebens zum Verbreiten seiner Lehre und dem Sammeln von Schülern aus denen er eine klösterliche Gemeinschaft formte. Die Aussage, aus [AvdB], dass Buddha im Alter von 30 Jahren bereits als Wanderprediger unterwegs gewesen sein soll ist somit falsch, da er sich von der Zivilisation vorerst vollkommen zurückzog.
Auch gilt es festzustellen: Von genau 40 Tagen Fasten von Buddha ist nicht die Rede. Er lebte 6 Jahre lang asketisch. Von einer Versuchung durch einen personalen Satan und eine Unterhaltung mit ihm, wie sie Jesus führte (Mt 4,1), wird ebenfalls nichts berichtet. Zwar sammelte sich Buddha, wie viele religiöse und nichtreligiöse Lehrer zu allen Zeiten, Schüler um sich, doch diese führte er zu einem klösterlichen Leben und band sie somit an einen festen Ort ([Bud], S. 56). Jesus tut mit der Aussendung der Jünger genau das Gegenteil:

Und er setzte zwölf ein, die er bei sich haben und die er dann aussenden wollte, damit sie predigten.(Mk 3,14 )

Nach all dem Gesagten kann nicht festgestellt werden, dass zwischen Buddha und Jesus große Ähnlichkeiten bestehen würden. Sämtliche Geschichten über Buddha, welche nach der Niederschrift der Evangelien auftauchen bringen für die Argumentationsstruktur der Christentumskritiker nichts. Eher im Gegenteil (s.h. dazu weiter unten).

Zarathustra [AvdB S. 102]
Von Zarathustra, wird in [AvdB] erklärt, existiere auch eine Verführungsgeschichte, die derjenigen von Jesus ähneln soll und auch er sei mit zwölf Hauptjüngern zur Verkündigung seiner Lehre durch die Lande gezogen. Hier gilt ähnliches wie für Buddha, allerdings sogar in stärkerer Form: Die Quellenlage ist hier so schlecht, dass das angegebene Geburtsdatum von Zarathustra von 1800 v.Chr. bis 600 v. Chr. schwankt. Erste Schriften über sein Leben werden in das erste Jahrhundert nach Christus datiert. Zwischen Geburt und Niederschrift von biographischem Material liegen somit je nach Datierung zwischen 700 und 1900 Jahren. Ein immenser Zeitraum. Aber auch hier wurde im weiteren Verlauf der nächsten Jahrhunderte weiteres Material aufgeschrieben bzw. vorhandene Erzählungen ausgeschmückt und erweitert. Über sein Leben lassen sich somit keine sicheren Angaben machen. Wann genau die (falls sie existiert) Erzählung entstand, dass Zarathustra zwölf Jünger besaß oder dass ihn Satan verführt habe, lässt sich also nicht feststellen. Da die frühesten Schriften im ersten Jahrhundert derartiges nicht erwähnen, kann angenommen werden, dass sie erst nach dem Wirken des Jesus von Nazareth aufgeschrieben bzw erdacht wurden.

Apollonios von Tyana ([AvdB S.102 und [bibkri])
Apollonios ist vielleicht die, im Zusammenhang mit dem in der Einleitung präsentierten Argument, am meisten genannte Gestalt. Auf [bikri] ist sogar zu lesen:

Sein von Philostratos aufgeschriebenes Leben liest sich wie eine Abschrift der biblischen Jesusgeschichte, zum Teil wie ein Evangelium.

Auf Seite 102 von [AvdB] werden etliche angebliche Parallelen zum Leben von Jesus genannt. Einige davon (allerdings nicht alle) finden sich in der ersten Biographie über den Zeitgenossen von Jesus, Apollonios. Diese wurde von Philostratos um 200 n.Chr. aufgeschrieben und ist somit über 100 Jahre jünger als die biblischen Evangelien. Die Behauptung, dass deren Autoren somit etwas aus dem Leben des Apollonios abgekupfert und auf Jesus umgemünzt haben könnten, ist somit nicht haltbar und das Leben des Apollonios lässt sich nicht als Argument gegen die Glaubwürdigkeit der Evangelien anführen. In [DHZdE] ist daher zu lesen:

Wenn jemand überhaupt eine „Biographie“ zur Vorlage nahm, dann wäre das in diesem Fall Philostratos gewesen, der den Evangelienschreibern folgte und nicht umgekehrt. (S. 106)

Viele Gelehrte sind sogar, trotz mancher oberflächlicher Übereinstimmung zwischen den beiden Texten, der Meinung, dass man auf Grund der weit größeren Unterschiede zwischen ihnen von einer unabhängigen Entstehung ausgehen sollte ([TdArTl], S. 303.). Das vielleicht Erstaunlichste ist allerdings, dass das „Apollonios-Argument“ auch heute noch so beliebt ist, obwohl es Craig Blomberg bereits 1987 in [DHZdE] widerlegte.

Zusammenfassung
Von den drei betrachteten Biographien wurde eine erst nach den Evangelien verfasst und scheidet somit als Vorbild für Jesus definitiv aus. Die Lebensberichte von Buddha und Zarathustra wurden erst Jahrhunderte nach dem Tod der beiden niedergeschrieben und haben im Laufe der Jahrhunderte nach der Entstehung der Evangelien noch größere Veränderungen erfahren. In den ursprünglichen Fassungen lassen sich dabei bei beiden keine auffälligen Parallelen zum Leben von Jesus, wie es in der Bibel geschildert wird, finden. Die weiteren genannten Personen und griechischen Gottheiten aus [bibkri] werden evt. in einer ergänzten Fassung dieses Aufsatzes behandelt. Aber sie werden das Fazit kaum verändern können: Das Argument, das Leben Jesu‘ sei den Leben anderer Personen entlehnt und die Berichte davon somit unglaubwürdig, ist nicht stichhaltig. Manche Ausführungen basieren teilweise sogar auf faktischen Fehlern.

Quellen
[AvdB] Rohde, Norbert, „Abschied von der Bibel“, 1. Auflage
[Bud] Hawkins, Braldley K., „Buddhismus“, 1. Auflage
[bibkri] http://www.bibelkritik.ch/bibel/g1.htm
[DHZdE] Blomberg, Craig, „Die Historische Zuverlässigkeit der Evangelien“, 1. Auflage
[FdG] McDowell, Josh, „Die Fakten des Glaubens“, 1. Auflage
[TdArTl] Harris, Murray J., „The Dead Are Restored To Life“, in Gopsel Perspectives Bd.6, 1. Auflage

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