Wann kommt Jesus wieder?

Einleitung
In diesem Artikel soll es um die Parusie Christi gehen. Unter Parusie versteht man die Wiederkunft Christi am Jüngsten Tag. Einige Kritiker des Christentums argumentieren hierbei wie folgt: Jesus versprach fest zu Lebzeiten der Jünger zurückzukehren. Da dies aber nicht geschah muss er sich geirrt haben und kann somit nicht Gottes Sohn bzw. die Bibel kann nicht Gottes Wort sein. Dieses Argument ist kein neuer Gedanke, sondern wird schon seit einigen Jahrzehnten in dieser oder ähnlicher Form vorgetragen. Zwei Beispiele im Internet finden sich auf bibelkritik.ch und auf nordwest.net. Es sollen daher nachfolgend einige der Bibelzitate aus den Links betrachtet werden um zu sehen, ob sie nur die oben genannten Schlussfolgerungen zulassen.

Kurze Zeit bis zur Wiederkunft?
Beginnen wir nun mit der Betrachtung der Zitate, aus denen gefolgert wird, dass Jesus eine baldige Wiederkunft versprochen hätte.

Mathhäus 24:34-35

Mathhäus 24:34 Wahrlich, ich sage euch: Dieses Geschlecht wird nicht vergehen, bis dies alles geschieht. 35 Himmel und Erde werden vergehen; aber meine Worte werden nicht vergehen. 36 Von dem Tage aber und von der Stunde weiß niemand, auch die Engel im Himmel nicht, auch der Sohn nicht, sondern allein der Vater.

Eine entsprechende Passage findet sich auch in Markus 13:30.

Dieses Geschlecht wird von Kritikern als diejenige Generation interpretiert, welche zur Zeit von Jesus gelebt hat. Hierbei wird aber vor allem der Gesamtzusammenhang von Matthäus 24 außer Acht gelassen, denn dieser ist eindeutig im Sinne einer fernen Wiederkehr Jesu zu sehen:

Matthäus 24:3 Und als er auf dem Ölberg saß, traten seine Jünger zu ihm und sprachen, als sie allein waren: Sage uns, wann wird das geschehen? Und was wird das Zeichen sein für dein Kommen und für das Ende der Welt? 4 Jesus aber antwortete und sprach zu ihnen: Seht zu, dass euch nicht jemand verführe. 5 Denn es werden viele kommen unter meinem Namen und sagen: Ich bin der Christus, und sie werden viele verführen. 6 Ihr werdet hören von Kriegen und Kriegsgeschrei; seht zu und erschreckt nicht. Denn das muss so geschehen; aber es ist noch nicht das Ende da. 7 Denn es wird sich ein Volk gegen das andere erheben und ein Königreich gegen das andere; und es werden Hungersnöte sein und Erdbeben hier und dort. 8 Das alles aber ist der Anfang der Wehen. 9 Dann werden sie euch der Bedrängnis preisgeben und euch töten. Und ihr werdet gehasst werden um meines Namens willen von allen Völkern. 10 Dann werden viele abfallen und werden sich untereinander verraten und werden sich untereinander hassen. 11 Und es werden sich viele falsche Propheten erheben und werden viele verführen. 12 Und weil die Ungerechtigkeit überhand nehmen wird, wird die Liebe in vielen erkalten. 13 Wer aber beharrt bis ans Ende, der wird selig werden. 14 Und es wird gepredigt werden dies Evangelium vom Reich in der ganzen Welt zum Zeugnis für alle Völker, und dann wird das Ende kommen.

Hier werden viele Zeichen genannt, die seiner Wiederkunft vorausgehen. An diesen lässt sich ablesen, dass diese kaum in 30-40 Jahren (also zu Lebzeiten der Jünger) stattfinden können, sondern, dass dazu längere Zeiträume nötig sind. Parallelstellen dazu finden sich auch bei Markus und Lukas.

Außerdem wird das Wort Geschlecht an vielen Stellen der Bibel nicht im Sinne der lebenden Generation gesehen. Bekanntestes Beispiel ist sicher das „Geschlecht Davids“, das Personen umfasst, die über einen Zeitraum von über 500 Jahren gelebt haben. Dieses Geschlecht aus Matthäus 24:34 lässt sich daher am sinnigsten auf das Geschlecht des Volkes Israel oder auf das ganze Menschengeschlecht beziehen. Beide sind bis heute nicht vergangen. Des Weiteren fügt sich der Vers so problemlos in den Zusammenhang von Kapitel 24 ein, so dass man keine inneren Widersprüche innerhalb eines einzigen Kapitels annehmen muss. Matthäus 24:34 muss daher nicht als Naherwartung gedeutet werden.

Markus 9:1

1 Und er sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Es stehen einige hier, die werden den Tod nicht schmecken, bis sie sehen das Reich Gottes kommen mit Kraft.

Diese Stelle ist sicher eine der kritischeren. Dennoch gibt es Lösungsansätze. So muss festgestellt werden, dass Jesus nicht immer dort wo er „vom Reich Gottes“ spricht, sein zweites Kommen und somit das Ende der Welt meint. So zum Beispiel in Markus 1.

14 Nachdem man Johannes ins Gefängnis geworfen hatte, ging Jesus wieder nach Galiläa; er verkündete das Evangelium Gottes 15 und sprach: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um, und glaubt an das Evangelium! 16 Als Jesus am See von Galiläa entlangging, sah er Simon und Andreas, den Bruder des Simon, die auf dem See ihr Netz auswarfen; sie waren nämlich Fischer. 17 Da sagte er zu ihnen: Kommt her, folgt mir nach! Ich werde euch zu Menschenfischern machen. 18 Sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm.

Hier redet er vom hier und jetzt, also seinem ersten Kommen. Der Sohn Gottes ist in die Welt getreten und gibt mit seinen Wundern und Lehren Einblicke in das was Gott zu tun vermag. Dies umschreibt der Evangelist Johannes im ersten Kapitel seines Evangeliums wie folgt:

Joh 1,14 Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.

Gott hat mitten unter den Menschen gewohnt und war ihnen somit nahe und gab Einblicke in sein künftiges Reich.
Somit lässt sich auch Markus 9:1 in der Hinsicht deuten, dass Jesus hier von Dingen spricht, die mit seinem ersten Kommen verbunden sind. Am naheliegensten wäre seine Verklärung, die bereits ab Markus 9:2 geschildert wird:

2 Sechs Tage danach nahm Jesus Petrus, Jakobus und Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg, aber nur sie allein. Und er wurde vor ihren Augen verwandelt; 3 seine Kleider wurden strahlend weiß, so weiß, wie sie auf Erden kein Bleicher machen kann. 4 Da erschien vor ihren Augen Elija und mit ihm Mose und sie redeten mit Jesus.

Das größte Zeichen, das den Menschen bei Jesus erstem Kommen zu Teil wurde, ist sicherlich seine Auferstehung, die er in Markus 9:1 angesprochen haben könnte. Aber ebenso könnten auch seine Himmelfahrt oder das Herabkommen des Heiligen Geistes am Pfingsttag gemeint sein. Dies lässt sich wohl nicht eindeutig klären, zeigt aber, dass es durchaus andere Möglichkeiten gibt als anzunehmen, dass Jesus eine baldige Wiederkunft versprach, sich aber irrte.

Matthäus 10:22-23
Ein weiteres ausgewähltes Zitat ist:

Matthäus 10:22 Und ihr werdet gehasst werden von jedermann um meines Namens willen. Wer aber bis an das Ende beharrt, der wird selig werden. 23 Wenn sie euch aber in einer Stadt verfolgen, so flieht in eine andere. Wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende kommen, bis der Menschensohn kommt.

welches im Sinne einer baldigen Parusie gedeutet wird. Im Internet habe ich einen Kommentar zu diesem Vers gefunden, der meiner Meinung nach sehr treffend eine alternative Interpretationsmöglichkeit zusammenfasst:

Vor diesem Hintergrund ist Matthäus 10:23 zu sehen; der Vers kennzeichnet sein ‘Kommen’ im Gericht über das jüdische System, das er wie auch die Propheten angekündigt hatte (z.B. Matthäus 24:2), und in dessen Folge viele Dinge des Alten Bundes verschwanden, denn der Menschensohn war gekommen! (…) doch würden sie mit den Städten Israels nicht fertig werden, bis der Sohn des Menschen das Gericht über Israel kommen lassen würde, wie es sich dann im Jahre 70 n.Chr. ereignete.

Wichtig ist hierbei wieder erneut der Textzusammenhang des ganzen Kapitels, sowie die damalige Situation:

Matthäus 10:16 Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. Darum seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben. 17 Hütet euch aber vor den Menschen; denn sie werden euch den Gerichten überantworten und werden euch geißeln in ihren Synagogen. 18 Und man wird euch vor Statthalter und Könige führen um meinetwillen, ihnen und den Heiden zum Zeugnis. (…) 22 Und ihr werdet gehasst werden von jedermann um meines Namens willen. Wer aber bis an das Ende beharrt, der wird selig werden.

Diejenigen von denen die Jünger verraten und vor Gericht gezerrt werden, sollen die Juden sein. Diese Macht hatten die Juden nur so lange bis die Römer im Jüdischen Krieg das Land verwüsteten und einen Großteil des Volkes zerstreuten. Danach hatten die Christen viele andere Feinde wie die Römer unter deren Verfolgung sie des Öfteren zu leiden hatten. Dass es aber das Ziel der Christen war nicht nur die Juden, denen sie das Evangelium zuerst verkündigten, sondern die ganze Welt zu missionieren, wird schon im ältesten der Evangelien, dem Markusevanglium, ganz klar von Jesus gesagt:

Markus 13:10 Und das Evangelium muss zuvor gepredigt werden unter allen Völkern.

Also musste noch etwas kommen, nachdem man mit den Städten Israels „zu Ende gekommen war“. Somit konnte mit Matthäus 10:22-23 nicht das Ende der Welt gemeint sein. Es ergibt sich also auch hier kein unausweichlicher Zwang die Verse im Sinne einer nahen Parusie zu deuten.

Briefe des Apostels Paulus
Des Weiteren finden sich vier Zitate des Apostels Paulus um die nahe Wiederkehr Jesus zu belegen. Die Stellen sind 1 Thessalonicher 2:17-20, 1 Thessalonicher 3:13, 1 Thessalonicher 4:15-18 und 1 Thessalonicher 5:20-24. Also alle aus dem selben Schriftstück des Apostels. Davon abgesehen die Frage: Hat man hier keine andere Wahl als zu akzeptieren, dass Paulus nur an eine nahe Wiederkehr seines Herrn glaubte? Auch hier ist es angebracht das ganze Neue Testament bzw. sämtliche Briefe des Apostels gemeinsam zu betrachten. Ebenfalls in Kapitel 1 des Thessalonicherbriefes schreibt Paulus:

1 Thess. 5:1 Von den Zeiten und Stunden aber, liebe Brüder, ist es nicht nötig, euch zu schreiben; 2 denn ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der Nacht.

Es ist also absolut nicht vorherzusehen, wann der Tag des Herrn kommen wird. Von daher kann sich der Apostel auch nicht sicher gewesen sein, dass Jesus in den ersten 40 Jahren nach seiner Himmelfahrt wiederkommen würde, denn dann könnte der Dieb nicht vollkommen überraschend kommen, weil man ihn innerhalb eines festen, überschaubaren Zeitrahmens erwarten kann. Deutlicher wird Paulus dann in seinem zweiten Brief an die selbe Gemeinde der Thessalonicher:

2 Thess 2:2 Lasst euch nicht so schnell aus der Fassung bringen und in Schrecken jagen, wenn in einem prophetischen Wort oder einer Rede oder in einem Brief, der angeblich von uns stammt, behauptet wird, der Tag des Herrn sei schon da. 3 Lasst euch durch niemand und auf keine Weise täuschen! Denn zuerst muss der Abfall von Gott kommen und der Mensch der Gesetzwidrigkeit erscheinen, der Sohn des Verderbens, 4 der Widersacher, der sich über alles, was Gott oder Heiligtum heißt, so sehr erhebt, dass er sich sogar in den Tempel Gottes setzt und sich als Gott ausgibt.

Sicher ist, dass dem Apostel sehr viel daran lag die Gemeinde der Thessalonicher zur Wachsamkeit zu mahnen, damit sie, wenn der Tag des Herrn kommt, auch bereit sein würde. Diese Wachsamkeit musste stets aufrecht erhalten werden, auch damit sie an die nächste Generation weitergegeben werden konnte. Denn wenn sie einmal verloren gegangen wäre, dann wäre sie nie wieder zurückkommen. Hätte Paulus damals geschrieben: „Es ist wohl wahrscheinlicher, dass Jesu erst in vielen Jahrhunderten wiederkommt.“ wäre es mit der Wachsamkeit aus gewesen. Daher werden die christlichen Kirchen auch heute nicht müde vor allem in der Adventszeit die nötige Wachsamkeit zu betonen, so wie es Paulus damals tat. Ebenfalls ist zu sagen, dass ja nicht auszuschließen war, dass Jesus auch zu Lebzeiten der Apostel hätte zurückkehren können, denn er selbst wies immer wieder darauf hin, dass die Zeit seiner Wiederkehr von den Menschen nicht vorhersehbar sein wird.

Markus 13:33 Seht euch also vor und bleibt wach! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist

Also mussten sowohl die Apostel selbst, als auch alle ihre Nachfolgegenerationen stets mit der Wiederkunft Jesu rechnen.
Zusammenfassend lässt sich für diesen Abschnitt sagen, dass Paulus sicher nicht ausschloss, dass Jesus auch zu seiner Zeit hätte zurückkehren können und dass in der ersten Generation der Christengemeinde eine Naherwartung vorherrschte. Doch dass er auch nicht die Wahrheit des christlichen Glaubens daran festmachte, dass dies zu Lebzeiten der Apostel geschieht, sondern auch durchaus später passieren kann. Betrachtet man also die Gesamtheit der Paulusaussagen müssen die vier Zitate nicht zwangsläufig in dem Sinne gedeutet werden, dass Paulus fest davon überzeugt war, dass die Parusie zu seinen Lebzeiten stattfinden würde.

Die spätere Parusie
In den Links finden sich auch zwei Zitate (Matthäus 24:11-14 und Markus 13:10), die dahin interpretiert werden, dass die Wiederkunft Jesu zu einem weit späteren, noch völlig unbekannten Zeitpunkt erwartet wird. Wie bereits dargelegt, weist das komplette Kapitel Matthäus 24 in diese Richtung.
Doch es gibt im Neuen Testament mehr Stellen, als diese beiden. So weist Jesus jegliche Versuche zurück das Datum seiner Wiederkunft abzuschätzen:

Markus 13:32 Doch jenen Tag und jene Stunde kennt niemand, auch nicht die Engel im Himmel, nicht einmal der Sohn, sondern nur der Vater. 33 Seht euch also vor und bleibt wach! Denn ihr wisst nicht, wann die Zeit da ist.

oder:

Matthäus 24:42 Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt. 43 Bedenkt: Wenn der Herr des Hauses wüsste, zu welcher Stunde in der Nacht der Dieb kommt, würde er wach bleiben und nicht zulassen, dass man in sein Haus einbricht. 44 Darum haltet auch ihr euch bereit! Denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.

Also wäre es eben auch für die Apostel unmöglich gewesen, sicher zu sein, dass Jesus während ihres irdischen Lebens zurückkommt. Natürlich war es möglich daran zu glauben, aber sie konnten sich nicht sicher sein. Im ersten Kapitel der Apostelgeschichte wird diese Aussage während der Himmelfahrt bestätigt:

Apg. 1:7 Er sagte zu ihnen: Euch steht es nicht zu, Zeiten und Fristen zu erfahren, die der Vater in seiner Macht festgesetzt hat. 8 Aber ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an die Grenzen der Erde. 9 Und als er das gesagt hatte, wurde er zusehends aufgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf vor ihren Augen weg.

Hinweise auf eine späte Parusie finden sich vor allem auch in Jesu Gleichnissen:

Markus 13:34 Es ist wie mit einem Mann, der sein Haus verließ, um auf Reisen zu gehen: Er übertrug alle Verantwortung seinen Dienern, jedem eine bestimmte Aufgabe; dem Türhüter befahl er, wachsam zu sein. 35 Seid also wachsam! Denn ihr wisst nicht, wann der Hausherr kommt, ob am Abend oder um Mitternacht, ob beim Hahnenschrei oder erst am Morgen. 36 Er soll euch, wenn er plötzlich kommt, nicht schlafend antreffen. 37 Was ich aber euch sage, das sage ich allen: Seid wachsam!

Die Apostel wussten nicht, ob Jesus heute, nächstes Jahr oder in fünf Jahrtausenden kommen würde. Ihnen und den Folgegenerationen bleibt nichts anderes als Jesu Mahnung zu folgen, die sich im Neuen Testament immer wieder finden lässt: “Seid wachsam!“.
Ein weiteres Gleichnis ist das Folgende:

Mattäus 25:14 Es ist wie mit einem Mann, der auf Reisen ging: Er rief seine Diener und vertraute ihnen sein Vermögen an. 15 Dem einen gab er fünf Talente Silbergeld, einem anderen zwei, wieder einem anderen eines, jedem nach seinen Fähigkeiten. Dann reiste er ab. Sofort 16 begann der Diener, der fünf Talente erhalten hatte, mit ihnen zu wirtschaften, und er gewann noch fünf dazu. 17 Ebenso gewann der, der zwei erhalten hatte, noch zwei dazu. 18 Der aber, der das eine Talent erhalten hatte, ging und grub ein Loch in die Erde und versteckte das Geld seines Herrn. 19 Nach langer Zeit kehrte der Herr zurück, um von den Dienern Rechenschaft zu verlangen.

Die Interpreation dieses Gleichnisses ist wohl eindeutig.
Ein weiterer Grund der auf eine späte Parusie hinweist, ist die Tatsache, dass Jesus beschloss auf Erden seine Kirche einrichten, wie dies bei Matthäus berichtet wird:

Matthäus 16:18 Ich aber sage dir: Du bist Petrus und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen und die Mächte der Unterwelt werden sie nicht überwältigen.

Diese Kirche aufzubauen ist sicher keine Sache von 20 oder 30 Jahren sondern von weit größeren Zeiträumen. Selbst wenn man davon ausginge, dass 30 Jahre genug wären um sie aufzubauen, wäre dies eine ziemlich sinnlose Unternehmung, wenn man sie kurz danach mit dem Ende der Welt wieder auflöst.
Eine letzte Bibelstelle, die hier aufgeführt werden soll stammt aus dem zweiten Petrusbrief:

2. Petrus:3:3 Vor allem sollt ihr eines wissen: Am Ende der Tage werden Spötter kommen, die sich nur von ihren Begierden leiten lassen und höhnisch sagen: 4 Wo bleibt denn seine verheißene Ankunft? Seit die Väter entschlafen sind, ist alles geblieben, wie es seit Anfang der Schöpfung war. 5 Wer das behauptet, übersieht, dass es einst einen Himmel gab und eine Erde, die durch das Wort Gottes aus Wasser entstand und durch das Wasser Bestand hatte. 6 Durch beides ging die damalige Welt zugrunde, als sie vom Wasser überflutet wurde. 7 Der jetzige Himmel aber und die jetzige Erde sind durch dasselbe Wort für das Feuer aufgespart worden. Sie werden bewahrt bis zum Tag des Gerichts, an dem die Gottlosen zugrunde gehen. 8 Das eine aber, liebe Brüder, dürft ihr nicht übersehen: dass beim Herrn ein Tag wie tausend Jahre und tausend Jahre wie ein Tag sind. 9 Der Herr zögert nicht mit der Erfüllung der Verheißung, wie einige meinen, die von Verzögerung reden; er ist nur geduldig mit euch, weil er nicht will, dass jemand zugrunde geht, sondern dass alle sich bekehren. 10 Der Tag des Herrn wird aber kommen wie ein Dieb.

Wichtig hierbei sind vor allem die Verse 8 und 9. Wieso hätte Petrus bzgl. des Endes der Welt davon gesprochen, dass tausend Jahre bei Gott wie ein Tag sind, wenn es doch die volle Überzeugung des Glaubens der Apostel gewesen wäre, dass bis Jesu Wiederkunft nur einige Jahre vergehen würden? Im Gegenteil: Er bereitet hier seine Leser darauf vor, dass auch damit zu rechnen ist, dass es durchaus noch lange dauern kann bis Jesus wieder auf die Erde kommt. Dies ist auch ein Zeichen dafür, dass 1. Petr 4,7 vergleichbar den Briefen des Apostel Paulus nicht in der Hinsicht gedeutet werden muss, dass es für Petrus nur die Option gab, dass Jesus zu seinen Lebzeiten wiederkommen würde.

Randbemerkungen
Auf nordwest.net werden noch zwei Behauptungen aufgestellt, die näherer Betrachtung bedürfen. Zum einen ist dort zu lesen:

Die Parusie ist bekanntlich der Dreh- und Angelpunkt des ganzen Christusglaubens.

mit anschließender „Schlussfolgerung“:

Denn, wer nicht von den Toten auferstanden und folglich nicht in den Himmel aufgefahren ist, kann auch nicht von dort zurückkommen.

Erstens hat dies mit dem eigentlichen Ziel des Artikels, welches darin besteht zu zeigen, die Bibel verbreite die Aussage Jesu Wiederkehr finde zu Lebzeiten der Jünger statt, was aber nicht stattfand, nichts zu tun. Zweitens besitzt der Satz in sich schon keine Logik: Wieso ist etwas Dreh- und Angelpunkt einer Sache, wenn es andere Dinge als Vorbedingungen benötigt? Folgender Satz besitzt, die gleiche „Logik“: „Das Brechen eines Oberschenkelknochens ist Dreh- und Angelpunkt des menschlichen Lebens. Denn wer nicht gestürzt ist oder eine sonstige Krafteinwirkung auf den Knochen bestand, kann sich auch kein Bein brechen.“ Aber selbst wenn ein logischer Versuch vorgelegen hätte zu begründen, warum die Parusie Dreh- und Angelpunkt des Christentums sein soll, kann man dieser Aussage mit der Bibel selbst widersprechen, denn der zentrale Punkt des christlichen Glaubens ist der Kreuzestod und die Auferstehung des Gottessohnes.

Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ist auch Christus nicht auferweckt worden. 14 Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung
leer und euer Glaube sinnlos. (1 Kor. 15:13 )

Nirgendwo wird man Paulus oder einen anderen Apostel sagen hören:

Wenn Jesus nicht zu unseren Lebzeiten wiederkommt ist/war unser Glaube sinnlos.

Hier liegt also eine Falschaussage bezüglich des christlichen Glaubens vor.
Eine weitere hinterfragbare Behauptung ist:

Es kann mit gutem Grund angenommen werden, dass die Originalschriften der vier Evangelien im zweiten oder dritten Jahrhundert n.Chr. vorsätzlich vernichtet worden sind, weil man anhand dieser die späteren Zusätze bzw. Fälschungen hätte erkennen können.

Diese basiert zum einen auf den dort eigenwillig durchgeführten Interpretationen der verwendeten Bibelstellen. Nur wenn man, wie dort angenommen, davon ausgeht, dass sich Matthäus 24 intern widerspreche (was wie weiter oben gezeigt keineswegs zwingend ist) kann man überhaupt nachvollziehen, wie der Autor überhaupt auf eine derartige Aussage kommen kann. Allerdings sollten noch folgende Fakten berücksichtigt werden:
Es gibt kein Schriftstück der Antike von dem auch nur annährend so viele Fragmente und Abschriften erhalten sind wie von der Bibel. Zum Vergleich: Das antike Werk von dem mit 643 die zweitmeisten Fragmente gefunden wurden ist Homers Ilias. Vom Neuen Testament besitzen wir dagegen rund 25000. Einige davon sogar aus dem ersten Jahrhundert. (vgl. Josh McDowell, „The new evidence that demands a verdict“, 1999, Kapitel 3). Mit dem Bodmer-Papyrus besitzen wir zum Beispiel eine Abschrift des Johannesevangeliums, die zwischen 150-200 angefertigt wurde. Das erste nahzu vollständige Neue Testament das wir besitzen stammt aus dem Jahr 325; der berühmte von Tischendorf entdeckte Codex Sinaticus. Das heißt: Zwischen der Erstfassung und der ersten erhaltenen Abschrift liegen keine 250 Jahre. Beim Johannesevangelium nicht mal 100, bei einigen Fragmenten weniger als 50 Jahre. Wie sieht es bei anderen Werken der antiken Literatur aus? Von Cäsars Gallischem Krieg, der zwischen 100 und 44 vor Christus abgefasst wurde, liegt uns die erste erhaltene Abschrift aus dem 900. Jahrhundert vor, dass heißt fast 1000 Jahre nach dem Original. Käme deshalb jemand auf die Idee zu behaupten man habe die Originale vorsätzlich vernichtet, weil man sie heutzutage nicht mehr findet? Damit Papyrus oder Pergament lange erhalten bleibt, müssen sehr gute Bedingungen herrschen, weil sich das
Material sonst nach wenigen Jahrzehnten auflöst bzw. der Text zumindest unleserlich wird. Aber wer weiß: Vielleicht finden wir eines Tages noch mehr vollständige Abschriften von Büchern der Bibel als es heute schon der Fall ist, womit derartige Kritikmöglichkeiten von Vorne herein ausgeschlossen werden.

Schlussfolgerung
Vor der eigentlichen Schlussfolgerung hier nochmals ein Hinweis. Ich bin natürlich kein Theologe und bewege mich daher hier nicht auf meinem „Fachgebiet“, sondern kann nur aus der Sicht eines Durchschnittskatholiken schreiben, der nebenbei studiert, einen Job hat und bei der Feuerwehr ist.
Ich möchte an dieser Stelle noch einmal den Autor des Aufsatzes zu Wort kommen lassen, den ich oben bereits zitiert habe:

Ganz sicher gibt es für die eine oder andere Textstelle unterschiedliche Deutungsmöglichkeiten. Doch zeigen die Ausführungen, daß Jesus keineswegs eine Lehre vertreten hat, die sich dann als Irrtum erwies. Daß die Wiederkunft immer noch aussteht, bis heute, spricht nicht gegen die Richtigkeit der Worte Jesu und schon gar nicht gegen die Erwartungshaltung und Lehre Jesu, der das Ziel verfolgte, seine Jünger und Nachfolger aller Zeiten in ihrer Wachsamkeit zu bestärken.

Diesen Aussagen möchte ich zustimmen. Auch ich behaupte nicht für jeden Vers der Bibel die richtige Interpretation zur Hand zu haben, das wäre vermessen. Betrachte ich aber das Neue Testament in seiner Gesamtheit, so ergibt sich für mich ein durchaus schlüssiges Bild und nicht eine Ansammlung von Widersprüchen.
Josh McDowell hat einmal sinngemäß gesagt: Wenn sich in der Bibel eine schwierige Stelle findet ist dies sicher kein Grund den Kopf in den Sand zu stecken und zu sagen: „Hierfür gibt es keine Lösung, ich gebe auf.“ Dies ist eines Wissenschaftlers unwürdig. Wenn ein Wissenschaftler etwas beobachtet, dass er nicht erklären kann, so ist dies für ihn kein Grund zu sagen: „Das ist ein Problem, dass wir nie lösen können!“, sondern es ist der Ansporn sich mit der Beobachtung auseinander zu setzen, sie zu erforschen und evt. dann auch schließlich erklären zu können. Wieso sollte das bei den Wissenschaften, die sich mit der Bibel beschäftigen anders sein? Sollte auch ein Papyrologe, ein Philologe, ein Archäologe oder ein Neutestamentler resigniert den Hut ziehen und aufgeben, wenn er auf ein Problem oder eine Schwierigkeit mit der Bibel stößt? Nein. Das soll für ihn der Startschuss für intensive Forschung sein.
Dem kann ich ebenfalls voll und ganz zustimmen.

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