Unsachliche Kritik?

Gestern fiel mir auf, dass der Autor des Werkes Lexikon der biblischen Irrtümer auf amazon.de auf meine Buchbesprechung geantwortet hat und versucht mir Falschaussagen nachzuweisen. Allerdings wird meine Rezension schon in der Titelzeile des Beitrages als unsachlich bezeichnet. Im Folgenden möchte ich kurz Stellung zu den Vorwürfen beziehen, die bzgl. meines Textes angebracht wurden. Hier der betroffene Auszug meine Beitrags:

Wie schon viele vor ihm verneint Langbein die Historizität vieler der in der Bibel geschilderten Ereignisse. Seine Aussagen stützen sich hierbei lediglich auf die Arbeiten von Israel Finkelstein. Werke die dessen sicht widersprechen werden nicht zitiert, eine objektive Darstellung bleibt also aus.
Des weiteren Versucht er verschiedene Bibelstellen gegeneinander auszuspielen und so innere Widersprüche in der Bibel der konstruieren. Viele dieser angeblichen Widersprüche wurden von Seiten der Theologen bereits diskutiert und Erklärungen geboten. Manchmal schießt er hierbei sicherlich auch weit über das Ziel hinaus: Dass im Buch mal von 23000 Toten die Rede ist, während an andere Stelle von 22XXX gesprochen wird ist für Langbein ein Widerspruch. Dabei sollte für jeden ersichtlich sein, dass bei der ersten Angabe schlicht und einfach aufgerundet wurde.
Beim Neuen Testament geht er ähnlich vor. Seine Hauptquelle dieses mal: Der Christentumskritiker Gerd Lüdemann. So findet sich in der Hälfte der Beiträge ein Zitat von Lüdemann, dass Langbeins Behauptung stützen soll. Auch hier von Objektivität keine Spur. Besonders putzig fand ich im Abschnitt 2 des Buches folgendes: Während Langbein die letzten Worte Jesus am Kreuz diskutiert, stellt er die Behauptung auf, dass es hierbei zu Verwechslungen kam, weil Jesus aramäisch Sprach, aber die Evangelien in Griechisch geschrieben wurden. An anderen Stellen dreht er dann genau den Spieß um: Da passt der Aramäische Text besser in sein Konstrukt und plötzlich liest man dann: Da die Evangelien ursprünglich in Aramäisch verfasst wurden, schlichen sich bei der Übersetzung ins Griechische weitere Irrtümer ein. Was nicht passt wird eben auch hier passend gemacht.
Ein letztes noch: Langbein spricht unentwegt von Irrtümern. Viele seine Kritiken beziehen sich allerdings auf Übersetzungen und dort auch nur auf bestimmte. Meistens nimmt er dabei die Übersetzungen vom Griechischen ins Lateinische ins Visier. Ein Übersetzungsfehler ist aber definitiv kein Irrtum der Bibel, genau wie ein Übersetzungsfehler in einem Lehrbuch kein Irttum von dessen Autor ist.
(Auszug aus meiner amazon-Rezension vom 27.8.2007)

Der Autor antwortete im zugehörigen Diskussionsforum, wobei der die nachfolgenden Aussagen tätigt, mit denen er versucht zu zeigen, dass meine Rezension Fehler enthalten würde.

Zuerst wir meine Behauptung aufgegriffen, dass sich der Autor bzgl. der Sprache widerspricht in der die Evangelien abgefasst wurden. Einmal nennt er Griechisch, ein paar Seiten weiter Aramäisch, um so angebliche Übersetzungsfehler zu finden. Meinem Text wird vorgeworfen:

Das hat nur nichts mit meinem Buch zu tun. (…) Der von Burger kritisierte »Widerspruch« existiert gar nicht. Richtig ist: Der aramäische Text passt immer besser. Allerdings habe ich nicht behauptet, dass die Evangelien ursprünglich in Aramäisch verfasst und dann lediglich übersetzt wurden. (…)

Doch wenn ich auf Seite 300 meiner gebundenen Ausgabe nachschlage steht dort:

Matthäus, Markus und Johannes verfassten ihre Texte nicht in griechischer Sprache, sondern in Aramäisch.

Hingegen findet man 15 Seiten zuvor auf Seite 285:

Jesus war Galiläer und sprach Aramäisch und nicht Griechisch. Die in Griechisch abgefassten Evanglien nach Matthäus und Markus versuchen (…)

Von daher ist für mich nicht nachvollziehbar was an meiner Aussage unsachlich ist. Ich finde sie durch diese beiden Zitate bestätigt.
Nächster Kritikpunkt an meiner Besprechung ist dieser:

Falsch ist die Behauptung, ich würde nur oder überwiegend Finkelstein und Lüdemann als Quellen benützen. Alle Quellen wurden korrekt angegeben, und es sind sehr viele.

Auf Silbermann/Finkelstein beruft sich der Autor dort wo es um Widersprüche zwischen archäologischen Entdeckungen und biblischen Texten geht. Im einzelnen sind dies:

  • Der Auszug aus Ägypten eine erfundene Story. Finkelstein wird auf Seite 22 zitiert.
  • David war weder mächtig noch fromm. Finkelstein wird mit Fußbnote 6 zitiert.
  • Jericho – Erdbeben statt Posaunen. Der angegebene Artikel von Saarland Online steht mir leider nicht zur Verfügung. Der Erscheinungstermin im Jahr 2002 passt aber zu den vielen anderen Artikeln mit änhlichen Titeln, welche in vielen Tageszeitungen und Magazinen erschienen sind und praktisch nur diverse Kapitel aus Keine Posaunen vor Jericho zusammenfassen, da das Buch 2002 ziemlich einschlug, aber eben auch nicht unwidersprochen blieb.
  • Kamele: Erfundene >>Historie<<. Fußnote 4 beruft sich auf Finkelstein.
  • Salomo, der Kleine. Hier gilt das gleiche wie bei Jericho – Erdbeben statt Posaunen

Hieraus folgte meine Aussage, dass Keine Posaunen vor Jericho die Hauptquelle für die Verneinung der Historizität der Ereignisse des Alten Testaments ist. Die sechs oben genannten Kapitel hatte ich unter die Kritik der Historizität gefasst. Das hätte ich in meiner Rezension evt. deutlicher machen sollen. Aber als falsch würde ich meine Aussage nicht werten.
Bei den Kapiteln zum Neuen Testament werden allein in den Fußnoten 13 mal Werke von Gerd Lüdemann zitiert, weshalb ich schrieb, dass dieser dort die Hauptquelle darstellt. Bei den zitierten Quellen finde ich (außer der Bibel selbst) keine, die ebenfalls auf 13 Nennungen kommt.
Beim letzten angesprochenen Punkt geht es um die Frage inwiefern ein Übersetzungsfehler nun ein biblischer Irrtum ist. Der Autor schreibt dazu:

Wenn ein biblischer Text falsch übersetzt wurde, dann ist das ein Irrtum: ihre Übersetzungen. Übersetzungsfehler sind Irrtümer in heutigen Bibelausgaben, also biblische Irrtümer.

Hier bitte ich den Leser selbst zu entscheiden, welche Position er einnimmt. Meine Ansicht habe ich in meiner Rezension dargelegt:

Ein Übersetzungsfehler ist aber definitiv kein Irrtum der Bibel, genau wie ein Übersetzungsfehler in einem Lehrbuch kein Irttum von dessen Autor ist.

Wenn sich zum Beispiel in der deutschen Übersetzung eines meiner Informatikfachbücher ein Übersetzungsfehler einschleicht, ist dies für mich weder ein Irrtum des Verfassers und erst Recht kein Irrtum der Informatik, sondern eben schlicht und einfach ein Übersetzungsfehler, der in der nächsten Auflage korrigiert werden sollte.

Fazit
Ich fand es schön, dass sich der Autor von Lexikon der biblischen Irrtümer die Mühe gemacht hat auf meine Rezension zu antworten. Ich behaupte nicht die Weisheit mit Löffeln gegessen zu haben, so dass meine Texte definitiv nicht fehlerfrei sind. Meinen Text allerdings als unsachlich oder gar Unsinn abzutun ohne stichhaltige Argumente dafür zu haben ist allerdings kein faires Verhalten.

Wie man „erfolgreich“ Widersprüche sucht

Beim Stöbern auf einer bibelkritischen Seite bin ich mal wieder auf ein schönes Beispiel gestoßen, wie mit allen Mitteln versucht wird Widersprüche in der Bibel zu suchen. Der Text soll Irrtümer herausstellen, welchen Jesus unterlegen sein soll. Irgendwo in der Auflistung findet sich dann folgendes:

Nach Jesus‘ Auferstehung soll er zunächst von Kephas und dann von den zwölf Jüngern gesehen worden sein (Kor. 15,4). Das kann aber nicht sein. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich Judas nämlich bereits erhängt und der „Ersatzjünger“, ein gewisser Matthias (Apo 1,23), war noch nicht gewählt worden.

Das erste Auffällige: Wo soll hier ein Irrtum von Jesus zu finden sein? Er hat weder vor seinem Tod gesagt, wem er nach der Auferstehung erscheinen werde, noch irgendwo eine vollständige Zusammenfassung gegeben, wer den Auferstandenen gesehen hat.

Zweite Auffälligkeit: Der angegebenen Bibelstelle aus dem Korintherbrief lautet:

4 und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift

also keine Angabe, wem Jesus erschienen war. Außerdem müsste die Stelle korrekterweise 1. Kor 15,4, weil es zwei Korintherbriefe gibt.
Der Vers auf den wohl angespielt wird ist der fünfte des 15. Kapitels:

5 und erschien dem Kephas, dann den Zwölf

Das angebliche Problem besteht darin, dass zu diesem Zeitpunkt nur noch elf der ehemaligen zwölf am Leben gewesen sind. Heißt das also Paulus hat hier geirrt, wenn er dies schreibt (wenn es ja Jesus schon nicht gewesen sein kann?). Nein sicher nicht. So weit konnte Paulus auch denken. Die Zwölf war ein feststehender Begriff für die Gruppe von Männern die Jesus am nächsten standen und eben meist aus zwölf Jüngern bestand, wodurch der Begriff geprägt wurde. Dies ist ungefähr vergleichbar damit, dass bei einer Fußballmannschaft immer von elf Freunden gesprochen wird, auch wenn keine Mannschaft mit nur elf Personen zu einem Spiel reisen würde.
Im Kontext des ersten Korintherbriefes von einem „Irrtum“ zu sprechen ist nichts weiteres als Haarspalterei bzw. Kreieren eines nicht vorhandenen Widerspruchs.

Biblisches Cherry picking für Anfänger

Beim Lesen einiger Diskussionen zwischen Christen und Nichtchristen, sowie eigenen Erfahrungen aus Diskussionen mit Religionsgegnern bin ich des öfteren auf folgendes Zitat aus der Bibel gestoßen:

Wenn aber die Wahrheit Gottes sich durch meine Unwahrheit als noch größer erweist und so Gott verherrlicht wird, warum werde ich dann als Sünder gerichtet?
(Römer 3,7 / Einheitsübersetzung)

Oft wird es mit dem Hinweis der Christentumskritiker gebracht, dass die Bibel hiermit Christen das Lügen erlauben würde, bzw. in etwas abgeschwächter Form, dass Lügen dann erlaubt ist, wenn man damit Gott verkündigt. Ein Beispiel aus dem Internet ist ein Artikel auf der Seite www.bibelkritik.ch, wo zu lesen ist:

Warum hätten ihre Schreiber nicht hinzufügen, streichen oder verbessern sollen? Der emsig missionierende Paulus selbst gab unverhohlen zu (Röm 3,7): „Wenn aber die Wahrheit Gottes durch meine Lüge herrlicher wird zu seiner Ehre, warum sollte ich dann noch als ein Sünder gerichtet werden?“ Die Schriften sollten mitreißen und überzeugen, mehr nicht.

Dass dies weit gefehlt ist soll gleich noch gezeigt werden. An diesem Zitat sollen aber vor allem zwei Prinzipien verdeutlicht werden, welche beim Studium der Bibel unumgänglich sind, aber von Kritikern schon mal ignoriert werden.

1. Ein Zitat nie aus dem Kontext reißen
Der Kommentar ist mit dem Wort „Cherry picking“ überschrieben. Die deutsche Entsprechung dafür wäre „Rosinen herauspicken“. Für das Thema Bibelauslegung ist hierbei folgendes gemeint: Jemand hat eine These und versucht sie mit der Bibel zu beweisen. Dazu reißt er ein Zitat aus dem Zusammenhang, so dass sich dessen Aussage ins Gegenteil verkehrt und bietet es zur Untermauerung seiner These an. Hiermit hat er dann schon all diejenigen überzeugt, welche sich nicht die Mühe machen das entsprechende Kapitel in der Bibel zu betrachten. Ein sehr simples Beispiel hierfür wäre folgendes:

Jemand möchte zeigen, dass man mit der Bibel beweisen kann, dass es keinen Gott gibt und begibt sich auf die Suche. Er wird auch bald einen passenden Satz finden. So heißt es in Psalm 14,1 wort-wörtlich:

Es gibt keinen Gott.
(Ps 14,1 / Einheitsübersetzung)

Also sagt die Bibel, dass es keinen Gott gibt, oder? Schaut man sich nur allerdings den Kontext des Zitates an,

1 [Für den Chormeister. Von David.] Die Toren sagen in ihrem Herzen: «Es gibt keinen Gott.» Sie handeln verwerflich und schnöde; da ist keiner, der Gutes tut. 2 Der Herr blickt vom Himmel herab auf die Menschen, ob noch ein Verständiger da ist, der Gott sucht.
(Ps 14,1-3 / Einheitsübersetzung)

so verkehrt sich diese Aussage plötzlich in ihr Gegenteil.
Sicherlich ist dieses Beispiel sehr simpel gewählt, aber es veranschaulicht das Grundvorgehen, so dass man das Prinzip nun auch auf Römer 3,7 anwenden kann:

5 Wenn aber unsere Ungerechtigkeit die Gerechtigkeit Gottes bestätigt, was sagen wir dann? Ist Gott – ich frage sehr menschlich – nicht ungerecht, wenn er seinen Zorn walten lässt? 6 Keineswegs! Denn wie könnte Gott die Welt sonst richten? 7 Wenn aber die Wahrheit Gottes sich durch meine Unwahrheit als noch größer erweist und so Gott verherrlicht wird, warum werde ich dann als Sünder gerichtet? 8 Gilt am Ende das, womit man uns verleumdet und was einige uns in den Mund legen: Lasst uns Böses tun, damit Gutes entsteht? Diese Leute werden mit Recht verurteilt.
(Römer 3,5-8 / Einheitsübersetzung)

Paulus sagt also genau das Gegenteil von dem aus, was ihm die Kritiker in den Mund legen. Es gibt keine Rechtfertigung für Lügen, auch dann nicht, wenn sie Gott vielleicht sogar dienlich wären. Paulus spricht hier vom Schicksal derer, die ihm derartiges nachsagen, nämlich die Verurteilung durch Gott und gibt keineswegs einen Freibrief zum Lügen.

2. Den Biblischen Gesamtzusammenhang im Auge behalten
Nicht immer erbringt das Lesen des kompletten Abschnittes aus dem ein Zitat genommen ist eine eindeutige Lösung für das Problem. Gehen wir daher davon aus, dass der Kontext von Römer 3,7 nicht derart eindeutig wäre, sondern vielleicht doch noch ein Schlupfloch für die Interpretation „Paulus erlaubt Lügen“ lassen würde. Hätte man dann eine Chance vernünftig zu entscheiden, ob nun Lügen für Gott erlaubt ist oder nicht? Ja, nämlich dann, wenn man sich die anderen Stellen im Neuen Testament bzw. in der Bibel ansieht, welche sich mit dem Thema Lügen beschäftigen. Vorranging natürlich solche Stellen, die von Paulus selbst stammen, denn derartige gibt es. So streitet er erstens ab selbst zu lügen

Gott, der Vater Jesu, des Herrn, er, der gepriesen ist in Ewigkeit, weiß, dass ich nicht lüge.
(2Kor 11,31 / Einheitsübersetzung)

und stellt zweitens die Lüge auf eine Stufe mit einigen anderen Vergehen:

Unzüchtige, Knabenschänder, Menschenhändler, für Leute, die lügen und Meineide schwören und all das tun, was gegen die gesunde Lehre verstößt.
(1Tim 1,10 / Einheitsübersetzung)

Auch lässt sich keine weitere Aussage von Paulus finden, welche die These stützen würde, er erlaube Christen in bestimmten Fällen zu lügen.

Fazit
Nach Anwendung der beiden beschriebenen Prinzipien kann die Behauptung sicher zurückgewiesen werden, dass sich aus Römer 3,7 herauslesen lasse, dass Christen in bestimmten Situationen die Unwahrheit sagen können. Es handelt sich schlicht und einfach um ein Zitat, welches aus dem Zusammenhang gerissen wurde. Schade, dass dies immer wieder passiert.

Neukamm der Biologe

Heute habe ich mal wieder etwas im Freigeisterhaus herumgelesen. In dem Thread geht es eigentlich um Neukamms Artikel zu den Vorgängen an der FH Gießen, wo Studenten angeblich pseudowissenschaftliche Indoktrination erfahren (böse, böse…^^). Zu diesem Thema werde ich demnächst hier wohl auch nochmal etwas schreiben, aber darum soll es jetzt nicht gehen. Viel interessanter finde ich folgende Begebenheit:
Martin Neukamm alias (Darwin Upheaval) wird dort vom User ngc4414 folgendes gefragt:

Gestattest Du, dass ich Dich nochmals frage, weil es mich wirklich interessiert? (Im anderen Thread schienst Du diese Frage übersehen zu haben oder Du hast bisher einfach nicht darauf geantwortet.)

Wie bist Du eigentlich als ‚Chemie Ingenieur’ (Fachhochschule) Mitglied in der AG Evolutionsbiologie geworden, wo gemäss Statuten nur ‚fachlich ausgewiesene Biologen’ Mitglieder werden können?

Denn liest man in den Statuten der AG Evolutionsbiologie nach findet man tatsächlich:

Zusammenschluss der in Lehre und Forschung tätigen Evolutionsbiologen im deutschsprachigen Raum

Sämtliche evolutionär ausgerichteten biologischen Fachrichtungen sollten vertreten sein: z.B. Abiogeneseforschung, Biologiedidaktik, Biologiegeschichte, Biophilosophie, Botanik, Entwicklungsbiologie, Genetik, Mikrobiologie, Molekularbiologie, Paläontologie, Physiologie, Populationsgenetik, Verhaltensbiologie, Zellbiologie, Zoologie und die In-silico-(Computer)-Evolutionsforschung.

und

2. Wer kann Mitglied werden

Fachlich ausgewiesene Biologen, welche die oben beschriebenen Grundpositionen teilen und den aufgelisteten Schwerpunkten zugeordnet werden können.

Um ehrlich zu sein, hatte ich es schon länger im Sinn über diese Sache mal ein, zwei Sätze zu verlieren, weil ich sie so putzig finde. Die AG Evolutionsbiologie unterstellt ihren Kritikern stets, es seien keine Biologen (und erst recht keine Evolutionsbiologen) in deren Reihen. Ihr dreiköpfiger Führungstrupp besteht allerdings aus:

  • 1. Vorsitzenden Ulrich Kutschera, der bis vor kurzer Zeit mehr im Bereich der Pflanzenphyiologie unterwegs war
  • Dessen Stellvertreter dem Biologiehistoriker Thomas Junker
  • Und als Geschäftsführer dem Chemiker Martin Neukamm

Und wie reagiert Neukamm auf die Frage? Gibt er eine sinnvolle Antwort, die alle befriedigt? Nein tut er nicht:

@ NGC 4414:

Mir ist immer noch nicht klar, was für ein Spiel Du hier spielst. Entweder bist Du einer von unseren Kreazzi-Blogger-Freunden oder ein W+W-Mitglied inkognito. Dein Versuch, so zu tun, als seist Du nur zufällig über die genesisnet-Seiten gestolpert und ein „Suchender“, der sich gerne eine Meinung bilden möchte, verfängt hier nicht.

Hat aber auch seinen Vorteil: Somit hat jeder das Recht sich eine eigene Erklärung für die beschriebene Tatsache zu erdenken. Meine ist die: Wichtig für die AG ist nicht, dass man auf dem Gebiet der Evolution Forschung betreibt (weil sonst könnte Prof. Dr. Scherer von der TU München ja beitreiten), sondern, dass man die weltanschaulichen Positionen der dreiköpfigen Führung teilt. Also: Sind sie Atheist? Muss Religion bekämpft werden? Sollte eine ernsthafte Diskussion mit Evolutionskritikern vermieden werden und man sie stattdessen dauernd diffamieren? Wenn sie diese Fragen alle mit einem überzeugten „Ja!“ beantworten können, dann kommen sie zur AG Evolutionsbiologie, wir freuen uns auf sie!

Biston Betularia straft Kreationisten Lügen?

Biston Betularia sagt vielleicht nicht jedem etwas. Die deutsche Bezeichnung „Birkenspanner“ hat dagegen wohl jeder schon einmal gehört, der im Biologieunterricht die Evolutionstheorie behandelt hat. Sie waren laut meinem Biobuch ein „Beispiel für Evolution in Aktion“. Kurz und knapp zur Erinnerung: Dieses putzige Tierchen existiert in zwei Formen, einer dunklen (carbonaria) und einer hellen (typica). Sie sollen sich laut Schulbucherklärung an Baumstämmen heller Bäume aufhalten. Die helle Form ist natürlich auf einer hellen Rinde schlechter zu erkennen als eine dunkle, weshalb Fressfeinde die schwarze schneller sehen und verspeisen. Daher ist diese Form seltener. Während der Industrialisierung verdunkelten sich die Baumstämme durch die Luftverschmutzung, was für die helle Form suboptimal war, da ihre Tarnung wegfiel. Dementsprechend mussten sie in dieser Zeit eher damit rechnen von einem Vogelschnabel aufgepickt zu werden, als ihre dunklen Brüder. Nachdem man gemerkt hatte, dass sie Luftverschmutzung vielleicht nicht so gut ist und sie reduziert hat wurden die Bäume wieder heller und die typica-Form dadurch wieder häufiger. So weit so gut. Worum geht es denn jetzt eigentlich genau?
In den vergangenen Jahren wurde von etlichen Wissenschaftlern der Vorwurf erhoben, dass der Biologe Kettlewell bei seiner Beschreibung Selektionsszenarios methodisch unsauber gearbeitet habe. So habe er und einige seiner Nachfolger die Birkenspanner so freigelassen, dass sie sich auf die Baumstämme setzten, obwohl sie normalerweise eher in Baumkronen (oder an unbekannten Orten) zu finden seien oder teilweise habe man einfach für seine Fotos tote Examplare an den Baumstamm geheftet. Sprich es wurde unsauberes wissenschaftliches Arbeiten unterstellt. Dementsprechend wurde auch darüber nachgedacht ob es wirklich der Fall ist, dass die Birkenspanner ihr Dasein am Baumstamm fristen oder sich einen anderen Platz suchen. Natürlich wurde auch von Seiten der Evolutionskritiker auf dieses Thema eingangen. Hauptvorwürfe sind vor allem, dass in der Literatur kaum angemerkt wird, dass Kettlewells Arbeitsmethoden unsauber waren.
Nun kam M. Majerus in seiner Studie zu dem Ergebnis, dass 30% der Birkenspanner tatsächlich auf Baustämmen rasten würden, das Szenario Kettlewells also im Prinzip korrekt ist. Dies ist für Martin Neukamm natürlich ein Grund sofort einen Beitrag zu veröffentlichen und darin zu behaupten:

Die von den Evolutionsgegnern losgetretene Kampagne erwies sich als Sturm im Wasserglas; ihre Schlussfolgerungen erwiesen sich als haltlos und ebenso fragwürdig

Dazu sei festgehalten:

  • 1. Nicht nur Evolutionskritiker zweifelten Kettlewells Szenario an. Die Kritik entstammt vor allem aus den Reihen der Evolutionsbiologen.
  • 2. Die Studie von Majerus ist evt. nicht das letzte Wort das gesprochen wird und die Situation kann sich dementsprechend auch wieder ändern.
  • 3. Der Hauptpunkt der Kritiker (vor allem von Seiten der Kreationisten und ID Theoretiker) ist eben nicht vom Tisch, sondern besteht nach wie vor: Kettlewell hat unsauber gearbeitet, doch das weiß kaum einer der das Spannerszenario kennt.

Dementsprechend sind Majerus Ergebnisse in keiner Weise eine Schwächung der evolutionskritischen Position. Was Neukamm hier in Deutschland und The Independent in England publizieren sind Strohmannargumente, da man den Kreationisten Aussagen und Behauptungen andichtet, die sie nie getätigt haben und diese dann widerlegt. Answers-in-Genesis hat sich meiner Meinung nach treffend zu diesem Vorgehen geäußert:

What the Independent article fails to acknowledge is that criticism of the peppered moth experiments did not hinge on whether or not the population observations were correct. It was the experimental methodology and the conclusions that were criticized. If the population distribution evidences are correct, then this is no problem for creationists. After all, we have here an example of moths evolving into … well, moths. (…)
Kettlewell’s techniques were first criticized not by creationists, but by fellow evolutionists. It is alleged in Judith Hooper’s book, Of Moths and Men, that some of the famous photographs were taken by gluing dead moths to trees. This is because the moths do not tend to settle on the bark, but fly up into the canopies. A criticism of this methodology does not negate the population observations, and if Majerus now has proof that birds are eating the relevant amounts of moths, then creationists would have no problem with that.(…)

Und um zu meinem Schulbuch vom Anfang des Artikels zurückzukommen:

The article claims that peppered moths were “the quintessential example of Darwinism in action.” This is not correct. If true, then the peppered moth experiment is an example of natural selection (which creationists accept), not evolution.

Zum Abschluss soll Dr. W.-E. Lönnig zu Wort kommen, dessen Text von Neukamm (mal wieder) in einem Zusammenhang genannt wird, wo er nicht hingehört. Erst erzählt Neukamm, dass Evolutionskritiker anhand des Birkenbannerbeispieles, die komplette Selektionstheorie in Frage stellen würden und verweist dann auf einen Text von Herrn Lönnig. Wie wenig dieser Text allerdings mit den Behauptungen von Neukamm zu tun hat sollen folgende zwei Zitate darauf zeigen.

Selbstverständlich bestreite ich nicht jeden Einfluss der Luftverschmutzung auf die populationsgenetischen Veränderungen bei den Birkenspannern und vielen weiteren ähnlich gelagerten Fällen (…) und – wie der Leser des letzteren Beitrags schnell erkennen kann – bestreite ich auch nicht grundsätzlich den Faktor Selektion

Wenn sich jedenfalls 99,9% aller Birkenspanner tagsüber nicht „in exposed positions on tree trunks“ aufhalten, dann kann dieser bisher als entscheidend betrachtete Selektionsfaktor auch nicht mehr als sicher für die Melanismusfrage beim Birkenspanner angesehen werden und die üblichen Aussagen zu diesen Problemen in den Lehrbuchdarstellungen von Kutschera und vielen anderen sind unbewiesen.

Sollte aber dieser Faktor – im Gegensatz zu allen neueren Befunden – letztlich doch noch stringent nachgewiesen werden, oder vielleicht auch ein ganz anderer Selektionsfaktor oder deren mehrere, so werden selbstverständlich auch diese Ergebnisse akzeptiert.

Fazit: Unabhängig davon, wo sich jetzt die Birkenspanner wirklich aufhalten. Sie sind ein Beispiel für Natürliche Selektion in Aktion, wobei die Selektionsdrücke je nach wirklichem Aufenthaltsort der Birkenspanner nicht eindeutig geklärt sind. Natürliche Selektion wird von Kreationisten anerkannt. Warum auch nicht? Sie ist ja genau wie Mikroevolution beobachtbar. Man kann an diesem Beispiel allerdings erneut schön erkennen, zu welchen Mitteln Kreationismuskritiker greifen um ihre Gegner schlecht dastehen zu lassen.